Vor unserem Haus gab es einige wenige Stufen. Wenn man die Eingangstür öffnete, kam man in ein Vorzimmer. Nach dem Vorzimmer befanden sich unser Speisezimmer, das Büro meines Vaters, das Wohnzimmer, das Schlafzimmer meiner Eltern, das Zimmer meiner Brüder und mein Zimmer. Dann kam ein langer Gang, und da waren das Frühstückszimmer, Küche, Bad und zwei Zimmer für das Personal. In jedem Zimmer stand ein Kachelofen. Wir hatten einen großen Garten mit einem Volleyballplatz.
- Traditions 11756
- Language spoken 3019
- Identity 7808
- Description of town 2440
- Education, school 8506
- Economics 8772
- Work 11672
- Love & romance 4929
- Leisure/Social life 4159
- Antisemitism 4822
-
Major events (political and historical)
4256
- Armenian genocide 2
- Doctor's Plot (1953) 178
- Soviet invasion of Poland 31
- Siege of Leningrad 86
- The Six Day War 4
- Yom Kippur War 2
- Ataturk's death 5
- Balkan Wars (1912-1913) 35
- First Soviet-Finnish War 37
- Occupation of Czechoslovakia 1938 83
- Invasion of France 9
- Molotov–Ribbentrop Pact 65
- Varlik Vergisi (Wealth Tax) 36
- First World War (1914-1918) 216
- Spanish flu (1918-1920) 14
- Latvian War of Independence (1918-1920) 4
- The Great Depression (1929-1933) 20
- Hitler comes to power (1933) 127
- 151 Hospital 1
- Fire of Thessaloniki (1917) 9
- Greek Civil War (1946-49) 12
- Thessaloniki International Trade Fair 5
- Annexation of Bukovina to Romania (1918) 7
- Annexation of Northern Bukovina to the Soviet Union (1940) 19
- The German invasion of Poland (1939) 94
- Kishinev Pogrom (1903) 7
- Romanian Annexation of Bessarabia (1918) 25
- Returning of the Hungarian rule in Transylvania (1940-1944) 43
- Soviet Occupation of Bessarabia (1940) 59
- Second Vienna Dictate 27
- Estonian war of independence 3
- Warsaw Uprising 2
- Soviet occupation of the Balitc states (1940) 147
- Austrian Civil War (1934) 9
- Anschluss (1938) 71
- Collapse of Habsburg empire 3
- Dollfuß Regime 3
- Emigration to Vienna before WWII 36
- Kolkhoz 131
- KuK - Königlich und Kaiserlich 40
- Mineriade 1
- Post War Allied occupation 7
- Waldheim affair 5
- Trianon Peace Treaty 12
- NEP 56
- Russian Revolution 351
- Ukrainian Famine 199
- The Great Terror 283
- Perestroika 233
- 22nd June 1941 468
- Molotov's radio speech 115
- Victory Day 147
- Stalin's death 365
- Khrushchev's speech at 20th Congress 148
- KGB 62
- NKVD 153
- German occupation of Hungary (18-19 March 1944) 45
- Józef Pilsudski (until 1935) 33
- 1956 revolution 84
- Prague Spring (1968) 73
- 1989 change of regime 174
- Gomulka campaign (1968) 81
-
Holocaust
9685
- Holocaust (in general) 2789
- Concentration camp / Work camp 1235
- Mass shooting operations 337
- Ghetto 1183
- Death / extermination camp 647
- Deportation 1063
- Forced labor 791
- Flight 1410
- Hiding 594
- Resistance 121
- 1941 evacuations 866
- Novemberpogrom / Kristallnacht 34
- Eleftherias Square 10
- Kasztner group 1
- Pogrom in Iasi and the Death Train 21
- Sammelwohnungen 9
- Strohmann system 11
- Struma ship 17
- Life under occupation 803
- Yellow star house 72
- Protected house 15
- Arrow Cross ("nyilasok") 42
- Danube bank shots 6
- Kindertransport 26
- Schutzpass / false papers 95
- Warsaw Ghetto Uprising (1943) 24
- Warsaw Uprising (1944) 23
- Helpers 521
- Righteous Gentiles 269
- Returning home 1090
- Holocaust compensation 112
- Restitution 109
- Property (loss of property) 595
- Loss of loved ones 1724
- Trauma 1029
- Talking about what happened 1807
- Liberation 558
- Military 3322
- Politics 2640
-
Communism
4468
- Life in the Soviet Union/under Communism (in general) 2592
- Anti-communist resistance in general 63
- Nationalization under Communism 221
- Illegal communist movements 98
- Systematic demolitions under communism 45
- Communist holidays 311
- Sentiments about the communist rule 930
- Collectivization 94
- Experiences with state police 349
- Prison/Forced labor under communist/socialist rule 449
- Lack or violation of human and citizen rights 483
- Life after the change of the regime (1989) 493
- Israel / Palestine 2190
- Zionism 847
- Jewish Organizations 1200
Displaying 25321 - 25350 of 50826 results
Rachelle Muzicant
Mein Vater hat sich in Galatz eine Textilfabrik für Wollstoffe aufgebaut. Die Fabrik war am Rande von Galatz, in der Strada Trajan. Sie war für damalige Verhältnisse sehr groß. Wir haben Stoffe hergestellt, dicke Schals und so etwas ähnliches wie Loden für die Bauern in der ganzen Gegend. Wie viele Angestellte für meinen Vater gearbeitet haben, weiß ich nicht, aber es müssen viele gewesen sein. Er hatte eigentlich eine komplette Fabrik. Er hat Wolle gekauft und davon Garn gemacht, das Garn gefärbt, den Stoff produziert und ihn dann verkauft. Aber eines Tages hat ein Feuer die Fabrik vernichtet. Das passierte vor dem 2. Weltkrieg. Es war keine Brandstiftung! Mein Vater hat die Fabrik nicht wieder aufgebaut, er hat dafür ein Geschäft im Zentrum von Galatz, in der Strada Mare [Anm.: rum. die große Straße], einen Stoffgroßhandel eröffnet, in dem es hauptsächlich Wollstoffe für Herren und für Damen gab. Damals hat man sich Kleider, Anzüge und Mäntel beim Schneider nach Maß anfertigen lassen. Es gab viele Schneidereien. Mein Vater stand selber in dem Geschäft und hatte drei rumänische Angestellte. In der Strada Mare waren die meisten Textilgeschäfte und Großhändler, die Stoffe verkauft haben. Viele Leute aus der Umgebung haben bei meinem Vater die Stoffe gekauft.
Also ist er nach Tighina zurückgekommen, und meine Eltern haben beschlossen, ich weiß nicht warum, sich in Galatz nieder zu lassen. Galatz liegt auch heute in Rumänien und ist eine Hafenstadt an der Donau. Damals war einer der Haupttransportwege der Transport auf der Donau. Es waren nicht die Züge - von Lastautos und Bussen war noch nicht einmal die Rede. Alles wurde mit großen Schiffen übers Schwarze Meer gebracht, auf Flussschiffe umgeladen und über die Donau bis nach Wien gebracht. Galatz war deshalb eine sehr kosmopolitische und interessante Stadt, in der Juden, Armenier, Griechen und natürlich Rumänen lebten. Warum mein Vater Galatz als unseren Wohnsitz ausgewählt hat, weiß ich nicht.
Romania
Mein Vater war ein großer Zionist und sogar auf einem Zionistenkongress in Basel. Sein Cousin, er hieß Shenkar, war auch Zionist und ist 1917 aus Moskau, als meine Eltern nach Rumänien geflüchtet sind, mit seiner Frau nach Palästina geflüchtet. Sie sind dort geblieben, und Shenkar hat eine Textilfabrik, eine Unterwäschefabrik, aufgebaut. Lodzia hieß die Fabrik. In Israel gibt es Institutionen, die nach dem Cousin meines Vaters benannt wurden. Mein Vater ist Anfang der 1920er Jahre nach Palästina gefahren, um sich das Land anzusehen. Als er nach Palästina kam, hatte sein Cousin sich schon etwas aufgebaut. Aber für das Geld, das mein Vater besaß, hätte er nur ein Zrif kaufen können. Zrifs waren Umzugscontainer, in denen man gewohnt hat. Man hat Möbel in diese Container gebracht, dann hat man sie als Wohnung benützt. Holz war teuer in Palästina, und die Container waren aus Holz gemacht. Man konnte zum Beispiel am Strand von Tel-Aviv darin wohnen. Das war aber meinem Vater zu wenig, denn Rumänien war damals ein schönes und reiches Land, voller blühender Natur und bis jetzt noch unerforschter Reichtümer im Boden. Es gab Flüsse, Fische, Obst, Gold, Erdöl und das Meer - was kann man mehr haben. Also ist er nach Tighina zurückgekommen, und meine Eltern haben beschlossen, ich weiß nicht warum, sich in Galatz nieder zu lassen.
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Before WW2
See text in interview
Meine Eltern haben wieder von vorn angefangen. Meine Mutter hat aber nie wieder als Zahnärztin gearbeitet. In Bessarabien wurde viel Russisch gesprochen, aber auch Rumänisch und Jiddisch. Sie hätte ihren Doktor in Rumänien nostrifizieren müssen, aber ihr Rumänisch war zu schlecht. Sie hat es jedenfalls nicht geschafft zu nostrifizieren, und dann ist mein Bruder Moishe geboren.
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Before WW2
See text in interview
Meine Eltern haben sich in Moskau kennen gelernt. Meine Mutter hatte in Moskau Zahnmedizin studiert und als Zahnärztin gearbeitet. Das war noch in der Zarenzeit, also vor 1918. Meine Mutter hat ohne ihre Familie in Moskau gelebt, und dort hat sie meinen Vater kennen gelernt. Mein Vater hatte Chemie studiert. Wie sie sich kennen gelernt haben, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich auf der Universität. Aber das kann ich nicht genau sagen. Während des Studiums wurden sie bestimmt durch die Familien unterstützt, denn ich weiß, dass meine Eltern in jungen Jahren sogar auf der Krim [1] Urlaub gemacht haben.
Als 1917 die Oktoberrevolution in Russland begann, war meine Mutter schwanger. Wie die Revolution begonnen hat, gab es kein Heizmaterial mehr, und meine Eltern haben beschlossen, zu den Eltern, also zu meinen Großeltern mütterlicherseits, nach Tighina zu fahren. Sie haben geglaubt, die Kommunisten in Russland werden sich nur eine kurze Zeit halten können. Meine Mutter hat es aber nicht bis Tighina geschafft, auf dem Weg, in Tiraspol, hat sie meinen Bruder Leon entbunden. Tiraspol war die Grenze zwischen Russland und Rumänien. Meine Eltern sind danach erst einmal in Tighina geblieben, denn sie konnten durch die politischen Umstände in Russland nicht mehr zurück. Ihr Vermögen hatten sie in ihrer Moskauer Wohnung unter den Parkettbrettern versteckt, das ist dort geblieben - auf ewig. Einen Teil des Vermögens hatte mein Vater dem norwegischen Konsul in Moskau übergeben. Ich weiß nicht, wieso er zu ihm eine Beziehung hatte, ich weiß nur, dass es so war. Es war ausgemacht, dass, falls meine Eltern flüchten werden, der Botschafter das Vermögen in Verwahrung nimmt, und meine Eltern es sich von ihm holen. Aber mein Vater hat es nie gekriegt. Was passiert ist, weiß ich nicht.
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Before WW2
See text in interview
1916 oder 1917 haben meine Eltern in Moskau geheiratet. Meine Mutter war eine sehr schöne Frau, aber schüchtern und introvertiert. Mein Vater war eher ein Lebemann und sehr eifersüchtig. Sicher haben meine Eltern religiös geheiratet, denn sie kamen aus religiösen Familien. Aber fromm waren sie beide nicht, sie hatten auch keinen koscheren [Anm koscher.: nach jüdischen Speisevorschriften rituell; rein] Haushalt.
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Before WW2
See text in interview
Die Eltern meiner Mutter habe ich nur einmal gesehen. Der Großvater hieß Zwi Sultanovici und war ein ehrwürdiger alter Mann mit einem weißen Bart. Die Grosseltern besaßen in Tighina ein großes Geschäft mit Porzellan und Haushaltsartikeln. Die Reise von Galatz [Rumänien], wo wir gelebt haben, bis nach Tighina kam mir wie eine Weltreise vor. Vielleicht waren es gar nicht so viele Stunden, aber man musste mit dem Zug und mit dem Bus fahren, und damals war man das nicht so gewöhnt - man ist noch nicht soviel herumgefahren wie heute. Meine Brüder waren öfter bei den Großeltern, die waren 8 und 10 Jahre älter als ich. Vielleicht war es für meine Mutter zu beschwerlich mit drei Kindern zu fahren. Ich war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, als ich das erste und einzige Mal meine Großeltern gesehen habe.
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Before WW2
See text in interview
Ich habe nur meine Großeltern mütterlicherseits gekannt. Dass ich nichts über die Eltern meines Vaters weiß, verfolgt mich seit langer Zeit. Aber es ist zu spät - es gibt niemanden mehr, den ich fragen kann. Wie ist es möglich, dass ich nichts weiß? Man kann sich gar nicht vorstellen, dass Holocaust - Überlebende ihren Kindern und der Familie nichts erzählt haben. Ich frage mich jetzt immer wieder: wer waren sie, diese Grosseltern? Ich hab keine Ahnung! Es gibt kein Foto, es gibt nichts! Ich weiß nicht einmal, wie sie hießen. Wieso habe ich als Kind nicht nach ihnen gefragt? Warum habe ich nicht gesagt: ‚Wo sind deine Eltern, Papa?’ Mein Vater hat noch gelebt, da war ich schon erwachsen, aber das ist irgendwie verloren gegangen. Man war jung, man hat sie nicht gekannt, man war damit nicht konfrontiert.
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After WW2
See text in interview
Meine Tochter Desi ist Zahnärztin geworden. Sie hatte in Wien viele Jahre eine Ordination. Die hat sie verkauft und ist für sechs Jahre nach Paris gegangen. Vor ungefähr zwei Jahren ist sie nach Wien zurückgekommen und hat wieder eine Ordination im 9. Bezirk eröffnet.
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After WW2
See text in interview
Mein zweiter Mann hieß Marcel Orenstein. Es war Zufall, dass wir uns wieder getroffen haben. Ich kannte ihn bereits in meiner Jugend, denn wir waren Jugendfreunde. Er gehörte zu der Gruppe Jugendlicher, zu der ich auch gehörte. Ich war schon damals verliebt in ihn. Aber in meiner Jugendzeit waren die Beziehungen zwischen den jungen Leuten anders als heute. Da war man noch so ein bisschen mehr auf Abstand. Er ist mit seiner Familie vor mir nach Bukarest gezogen, da war ich noch in Galatz. Und dann habe ich in Bukarest meinen Mann kennen gelernt und geheiratet, und wir sind nach Israel emigriert. Marcel hat fünfzig Jahre in Rumänien gelebt. Er war Textilingenieur in Bukarest. Seine Eltern sind dort geblieben und gestorben. Er hat geheiratet, hat sich aber scheiden lassen und seinen Sohn zu sich genommen. Seine Mutter hat den Buben praktisch aufgezogen. Mein Mann war ja die Generation meiner Brüder, und die hatten Freunde. Und einer von denen war ein sehr, sehr, guter Mensch. Er war wirklich wie unser Bruder, denn er ist als Christ unter Juden aufgewachsen. Er hieß Cornelius Stefanescu, war Anwalt und mit einem Cousin von ihm bin ich noch in Verbindung gestanden. Dieser Cousin lebt seit langer Zeit in Schweden. Cornelius Stefanescu hat erfahren, dass ich verwitwet bin. Seine Tochter wiederum war nach Amerika ausgewandert. Er wollte zu ihr nach Amerika, hatte ein Ausreisevisum aus Rumänien bekommen, musste aber in Rom noch auf seine Papiere warten. Da habe ich gesagt, dass ich nach Rom komme, um ihn zu sehen. Wir waren zwei Wochen in Rom und haben viel über die Vergangenheit gesprochen. Und er hat mich gefragt, ob ich mich nicht vielleicht einmal mit dem Marcel treffen möchte. Und ich habe gesagt, dass ich es nicht weiß. Wir hatten uns ja die ganzen Jahre nicht gesehen und auch nichts voneinander gehört, denn mein Mann war sehr eifersüchtig auf diese Bekanntschaft. Wir hatten uns ja nicht getrennt, sondern das Leben hatte uns auseinander gerissen. Cornelius ist nach Amerika gefahren, hat sich dort aber nicht einleben können und ist wieder nach Bukarest gegangen. Dort hat er den Marcel getroffen und hat unser erstes Treffen eingefädelt. .Das war eben Schicksal.
Als wir uns das erste Mal getroffen haben, war das sehr ergreifend. Er war mir trotz der vielen Jahre, die vergangen waren, relativ vertraut. Einen ganz Fremden hätte ich nicht kennen lernen wollen und können. Ich war so eingeschüchtert. Aber nachdem wir doch die Kindheit miteinander verbracht hatten, gab es viel, was uns verbunden hat. Auch die Kriegsjahre und vor allem habe ich seine Familie gekannt, wir hatten denselben Background, und das war schon besonders verbindend. Wenn daraus ein Film gemacht werden würde, würde man sagen, das sei Kitsch. Als mein Mann gestorben ist, war ich 50 Jahre alt, und 53 Jahre war ich alt, als mein zweiter Mann nach Wien gekommen ist. Wir waren also noch jung. Marcel war ein Jahr älter als ich. Als er kam, war mein Sohn Ari schon verheiratet, und meine Tochter Daisy war achtzehn Jahre alt. Wir haben gut zusammengelebt. Vor vier Jahren ist Marcel gestorben.
Als wir uns das erste Mal getroffen haben, war das sehr ergreifend. Er war mir trotz der vielen Jahre, die vergangen waren, relativ vertraut. Einen ganz Fremden hätte ich nicht kennen lernen wollen und können. Ich war so eingeschüchtert. Aber nachdem wir doch die Kindheit miteinander verbracht hatten, gab es viel, was uns verbunden hat. Auch die Kriegsjahre und vor allem habe ich seine Familie gekannt, wir hatten denselben Background, und das war schon besonders verbindend. Wenn daraus ein Film gemacht werden würde, würde man sagen, das sei Kitsch. Als mein Mann gestorben ist, war ich 50 Jahre alt, und 53 Jahre war ich alt, als mein zweiter Mann nach Wien gekommen ist. Wir waren also noch jung. Marcel war ein Jahr älter als ich. Als er kam, war mein Sohn Ari schon verheiratet, und meine Tochter Daisy war achtzehn Jahre alt. Wir haben gut zusammengelebt. Vor vier Jahren ist Marcel gestorben.
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After WW2
See text in interview
Mein Sohn war ein ehrgeiziger Student und politisch immer sehr engagiert. Er hat zum Beispiel den ersten jüdischen Kindergarten initiiert. Es gab schon Kinder der Nachfolgegeneration, die geheiratet haben und selber Kinder bekommen haben. Ari und seine spätere Frau Judith gingen ins Lycée Français, aber viele ihrer Freunde gingen in österreichische Schulen. Es hat ihnen die Möglichkeit gefehlt, ihre Kinder jüdisch zu erziehen, es gab keine Einrichtungen damals. Sie wollten ihre Kinder aber jüdisch erziehen. Und da haben sich damals junge Juden zusammengesetzt, Spender gesucht und gefunden und den ersten jüdischen Kindergarten in Wien nach dem Krieg, in der Grünentorgasse war der, glaube ich, gegründet. Das war gar nicht so einfach, denn sie mussten die Kinder auch durch Sicherheitskräfte schützen. Und als die Kinder dann heran gewachsen sind, musste eine jüdische Schule gegründet werden. Auch das ist gelungen. Das Gebäude in der Castellezgasse war vor dem Krieg die Volksschule der Kultusgemeinde. Alle seine Freunde haben mitgearbeitet, damit die Schule wieder entsteht. Sie haben Komitees gegründet, viele Stunden gearbeitet, bis 1980 die jüdische Schule wiedereröffnet wurde. Und als 1992 die ersten Kinder die Matura absolviert haben, wurden von überall auf der Welt die Überlebenden des letzten Maturajahrgangs vor dem Krieg, das war 1938, eingeladen. Diese Feier 1992 war sehr ergreifend.
Nach dem Tod meines Mannes hat sich mein Sohn überlegt, die Firma zu übernehmen. Die Firma ist gut gegangen, und mein Sohn hat sich dann Karenzurlaub vom Spital genommen und sich alles genau angeschaut. Viele Anwälte mit denen mein Mann gearbeitet hatte, haben sich dann gewundert, dass so ein junger Mann mit 25 Jahren sich traut, diese Firma zu übernehmen. Dieser Beruf hat sehr viel mit der Person zu tun, besonders damals war das so. Es ist nicht nur eine Ware, die man zum Verkauf anbietet, der Käufer muss großes Vertrauen in den Verkäufer setzen. Aber der Ari hat es versucht, und es ist ihm gelungen.
Dodo, ich nenne den David immer Dodo, hat seine Medizinausbildung in Linz gemacht. Ich denke mir, aber ich weiß es nicht, dass er dort viele antisemitische Erfahrungen gesammelt hat. Aber ich habe es nie aus ihm herausgeholt, ich bin keine Bohrerin. Während des Studiums in Linz hat er seine Frau kennen gelernt. Sie ist Lehrerin. Ich schätze sie sehr, weil die Kinder enorm profitiert haben und sehr an den Eltern hängen. Der Dodo ist eine Enzyklopädie. Er ist unheimlich gebildet! Es gibt kein Buch, das erschienen ist, von dem er nichts weiß. Und er weiß sehr viel über das Judentum. Das hat er auch seinen Söhnen mitgegeben. Aber religiös ist er nicht. Seine Frau ist keine Jüdin, aber die Söhne haben beschlossen, mehr über das Judentum heraus zu finden.
Der Dodo hat sehr lange auf der Baumgartner Höhe als Oberarzt auf der Psychiatrie gearbeitet. Dann hat er an einem Projekt mit einem Kollegen, einem Freund, der auch Arzt ist, gearbeitet. Sie haben das Projekt ESRA [22] erfunden und es meinem Sohn Ari und der IKG [Anm.: Israelitische Kultusgemeinde] vorgestellt, und mein Sohn hat das dann gemeinsam mit seinen Kollegen in der Kultusgemeinde umgesetzt.
Seit dieser Zeit ist David Primar der Ambulanz von ESRA, und nicht nur das, er ist Trauma - Spezialist. Er ist sehr begehrt, er reist herum und hält Vorträge.
Jetzt, nach vierzig Jahren war er das erste Mal wieder in Czernowitz, vorher konnte er nicht hinfahren, so emotional war das für ihn.
Mein Sohn hat nach der Matura Medizin studiert. Er hat schon als Turnusarzt gearbeitet.
Er wollte Röntgenologe werden, und er hatte schon eine Ausbildungsstelle, da ist
mein Mann gestorben.
Der Dodo hat sehr lange auf der Baumgartner Höhe als Oberarzt auf der Psychiatrie gearbeitet. Dann hat er an einem Projekt mit einem Kollegen, einem Freund, der auch Arzt ist, gearbeitet. Sie haben das Projekt ESRA [22] erfunden und es meinem Sohn Ari und der IKG [Anm.: Israelitische Kultusgemeinde] vorgestellt, und mein Sohn hat das dann gemeinsam mit seinen Kollegen in der Kultusgemeinde umgesetzt.
Seit dieser Zeit ist David Primar der Ambulanz von ESRA, und nicht nur das, er ist Trauma - Spezialist. Er ist sehr begehrt, er reist herum und hält Vorträge.
Jetzt, nach vierzig Jahren war er das erste Mal wieder in Czernowitz, vorher konnte er nicht hinfahren, so emotional war das für ihn.
Mein Sohn hat nach der Matura Medizin studiert. Er hat schon als Turnusarzt gearbeitet.
Er wollte Röntgenologe werden, und er hatte schon eine Ausbildungsstelle, da ist
mein Mann gestorben.
In Wien hatten wir inzwischen eine Dreizimmerwohnung in der Kettenbrückengasse. Oft war auch meine Mutter aus Israel bei uns über mehrere Jahre zu Besuch. Aber sie wollte immer wieder zurück nach Israel. Israel war ihre Heimat geworden. Die Wohnung war etwas klein für so viele Leute, aber damit hatte ich kein Problem. Es war eine sehr schöne Zeit. Im Wohnzimmer war eine Eckbank. Da haben wir gesessen, und mein Mann und ich haben da geschlafen. Ari und Desi haben ein Zimmer gehabt, in dem auch meine Mutter geschlafen hat, und der David hat ein Zimmer gehabt. Mein Sohn Ari, der vier Jahre jünger ist, hat den David immer als seinen großen Bruder vorgestellt. Meine Tochter Desi war klein, sie war fast noch ein Baby, ungefähr zwei Jahre alt. Für sie war es dann selbstverständlich, dass er da war. Ich werde nie vergessen, dass mein Sohn, ohne dass ich es ihm gesagt habe, den David so gut aufgenommen hat. Das war sehr berührend! Beide Kinder waren überhaupt nicht eifersüchtig.
Jetzt standen wir wegen der Schule vor einem Problem. David hatte ja erst begonnen Deutsch zu lernen. Mein Mann und ich haben Russisch gesprochen, die Kinder nicht. Wir haben ihn dann im Theresianum untergebracht. Das war die einzige Schule mit einem Internat, in dem auch Russisch als Fach unterrichtet wurde. Ich habe gesagt, wenn er zu Hause bleibt, wird er nur russisch sprechen, und so konnte er sich schneller integrieren. Das Theresianum war nicht weit von unserer Wohnung entfernt, und jedes Wochenende kam er nach Hause. Dort war damals ein phänomenaler Mensch Direktor. Mein Mann hat ihm den Fall geschildert. ‚Wie machen wir das’, hat der Direktor meinen Mann gefragt. Da hat ihm mein Mann gesagt: ‚Schauen Sie, wir haben einen großen Sack Kohle und müssen ihn in den fünften Stock bringen. Das können wir nur mit einem Kübel rauf bringen, das heißt langsam, langsam, und schauen wir uns das an.’
So hat mein Mann das gesagt, und das hat sehr auf ihn gewirkt, und sie haben ihn aufgenommen. Wir haben ihm Nachhilfelehrer genommen für jedes Fach, Deutsch bis zur Matura. Er hat auch Latein lernen müssen. Ich hab gewusst, was er gern isst, und ich bin immer ins Internat gegangen und habe ihm Esspakete gebracht, die er natürlich mit allen Kindern dort geteilt hat. Allerdings war das Theresianum damals noch antisemitisch, und er hat Deutsch mit einem jiddischen Akzent gesprochen. Ich nehme an, der jiddische Akzent kam daher, dass seine Verwandten in Russland vielleicht Jiddisch gesprochen haben. Aber im Theresianum wurde auch Russisch unterrichtet, und das war gut für ihn. Das war für ihn wenigstens ein bisschen was von zu Hause. Er war ein Phänomen in der Schule, und manche Lehrer waren sehr nett. Die Kinder haben ihn, das war die Chrustschow [21] Zeit, Chrustschow genannt. Sicher hatte er es nicht leicht. Wir waren fremd für ihn, und die Gesellschaft war ihm fremd. Wir haben uns wirklich bemüht, ihm soviel Wärme wie möglich und ein zu Hause zu geben.
David hat maturiert ohne ein Jahr zu verlieren. Das war eine großartige Leistung! Jedes Wochenende ist er nach Hause gekommen. Die Urlaube haben wir natürlich zusammen verbracht. Ich freue mich, dass alles gelungen ist. Mein Mann wollte ihn nach der Matura nach Israel schicken, aber ich habe mich widersetzt. Dort wäre er verloren gewesen. Er hätte wieder von vorn beginnen müssen, wieder in einer ganz fremden Gesellschaft. Und die Familie meines Mannes, die in Israel gelebt hat, hätte sich seiner nicht annehmen können, weil sie eigene Sorgen hatten. Das Leben in Israel war und ist nicht so leicht. Ich denke, er wäre wirklich untergegangen. Aber dann hat er Medizin inskribiert und ist ein „Hippie“ geworden. Er ist von zu Hause ausgezogen, wir haben ein paar Jahre nichts von ihm gewusst.
Jetzt standen wir wegen der Schule vor einem Problem. David hatte ja erst begonnen Deutsch zu lernen. Mein Mann und ich haben Russisch gesprochen, die Kinder nicht. Wir haben ihn dann im Theresianum untergebracht. Das war die einzige Schule mit einem Internat, in dem auch Russisch als Fach unterrichtet wurde. Ich habe gesagt, wenn er zu Hause bleibt, wird er nur russisch sprechen, und so konnte er sich schneller integrieren. Das Theresianum war nicht weit von unserer Wohnung entfernt, und jedes Wochenende kam er nach Hause. Dort war damals ein phänomenaler Mensch Direktor. Mein Mann hat ihm den Fall geschildert. ‚Wie machen wir das’, hat der Direktor meinen Mann gefragt. Da hat ihm mein Mann gesagt: ‚Schauen Sie, wir haben einen großen Sack Kohle und müssen ihn in den fünften Stock bringen. Das können wir nur mit einem Kübel rauf bringen, das heißt langsam, langsam, und schauen wir uns das an.’
So hat mein Mann das gesagt, und das hat sehr auf ihn gewirkt, und sie haben ihn aufgenommen. Wir haben ihm Nachhilfelehrer genommen für jedes Fach, Deutsch bis zur Matura. Er hat auch Latein lernen müssen. Ich hab gewusst, was er gern isst, und ich bin immer ins Internat gegangen und habe ihm Esspakete gebracht, die er natürlich mit allen Kindern dort geteilt hat. Allerdings war das Theresianum damals noch antisemitisch, und er hat Deutsch mit einem jiddischen Akzent gesprochen. Ich nehme an, der jiddische Akzent kam daher, dass seine Verwandten in Russland vielleicht Jiddisch gesprochen haben. Aber im Theresianum wurde auch Russisch unterrichtet, und das war gut für ihn. Das war für ihn wenigstens ein bisschen was von zu Hause. Er war ein Phänomen in der Schule, und manche Lehrer waren sehr nett. Die Kinder haben ihn, das war die Chrustschow [21] Zeit, Chrustschow genannt. Sicher hatte er es nicht leicht. Wir waren fremd für ihn, und die Gesellschaft war ihm fremd. Wir haben uns wirklich bemüht, ihm soviel Wärme wie möglich und ein zu Hause zu geben.
David hat maturiert ohne ein Jahr zu verlieren. Das war eine großartige Leistung! Jedes Wochenende ist er nach Hause gekommen. Die Urlaube haben wir natürlich zusammen verbracht. Ich freue mich, dass alles gelungen ist. Mein Mann wollte ihn nach der Matura nach Israel schicken, aber ich habe mich widersetzt. Dort wäre er verloren gewesen. Er hätte wieder von vorn beginnen müssen, wieder in einer ganz fremden Gesellschaft. Und die Familie meines Mannes, die in Israel gelebt hat, hätte sich seiner nicht annehmen können, weil sie eigene Sorgen hatten. Das Leben in Israel war und ist nicht so leicht. Ich denke, er wäre wirklich untergegangen. Aber dann hat er Medizin inskribiert und ist ein „Hippie“ geworden. Er ist von zu Hause ausgezogen, wir haben ein paar Jahre nichts von ihm gewusst.
Mein Mann und ich haben dann in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Der David war in der Schule in Czernowitz unter sehr großen Druck gesetzt worden:’ Wohin fährst du, zu den Kapitalisten’, - lauter solche Sachen haben sie zu ihm gesagt. Das war 1961, er war dreizehn Jahre alt.
Den David, den Sohn von Raja und Nathan, haben wir bei uns aufgenommen. Da hat uns die Wiener jüdische kommunistische Ärztin Dr. Tannenbaum geholfen. Sie hatte in der Roten Armee gekämpft, und sie war unsere Hausärztin - ein fantastischer Mensch! Wir waren zu dieser Zeit noch nicht einmal österreichische Staatsbürger und haben mit ihr darüber gesprochen, was wir tun können, wie wir helfen können. Sie hatte Beziehungen zur russischen Botschaft, und sie hat alles eingefädelt. Nachdem Davids Eltern gestorben waren, hatte sich seine Tante Frieda, die Schwester seines Vaters, um ihn gekümmert. Sie war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Ich habe gedacht, dass es dem Kind nicht gut geht in Czernowitz, denn ich kannte ja die Russen. Aus diesem Grund hat ihn seine Tante wohl auch zu uns gegeben, damit er eine bessere Zukunft hat. Leicht ist es ihr sicher nicht gefallen. Später ist sie dann nach Israel ausgewandert, und der David hat sie dort noch besucht.
Mein Mann und ich haben dann in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Der David war in der Schule in Czernowitz unter sehr großen Druck gesetzt worden:’ Wohin fährst du, zu den Kapitalisten’, - lauter solche Sachen haben sie zu ihm gesagt. Das war 1961, er war dreizehn Jahre alt.
Mein Mann und ich haben dann in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Der David war in der Schule in Czernowitz unter sehr großen Druck gesetzt worden:’ Wohin fährst du, zu den Kapitalisten’, - lauter solche Sachen haben sie zu ihm gesagt. Das war 1961, er war dreizehn Jahre alt.
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After WW2
See text in interview
Ich habe Frieda, Larissa und ihre Tochter aus der Sowjetunion herausgeholt. Das war zu Kreisky-Zeiten, da gab es eine Auswanderungswelle russischer Juden aus der Sowjetunion. Mein Mann ist 1977 gestorben, ich war damals schon allein. Ein ehemaliger Nachbar meiner Schwägerin, ein Jude, lebte in Berlin und hat mich kontaktiert. Und ich habe im Andenken an meinen Mann, der seine Familie geliebt hat, geholfen, sie herauszuholen. Sie sind dann nach Wien eingereist und weiter nach Berlin gefahren. Die jüdische Gemeinde in Berlin hat sie aufgenommen und ihnen geholfen, und sie konnten sich ein Leben in Berlin aufbauen. In den 1980er Jahren gab es wieder eine Auswanderungswelle russischer Juden aus der Sowjetunion, da haben sie den Rest der Familie aus Samarkand nach Berlin geholt. Frieda ist aber nicht in Berlin geblieben. Nach einigen Jahren ist sie nach Israel ausgewandert und vor ungefähr drei Jahren gestorben.
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After WW2
See text in interview
Raja, sie war die älteste Schwester meines Mannes, und ihr Mann Nathan, der vor dem Krieg Fleischgroßhändler war, sind nach dem Krieg in Czernowitz gestorben, da waren wir schon in Wien. Nathan hatte in der Roten Armee [20] gekämpft und Raja war 1942 nach Transnistrien deportiert worden. Beide haben sich nach dem Krieg in Czernowitz wieder getroffen, da konnten sie aber nicht mehr heraus.
Ich möchte etwas über die Familie meines Mannes erzählen: Mein Mann und seine Geschwister waren während des Krieges vor den Deutschen und Rumänen bis nach Kasachstan geflüchtet, sonst hätten sie nicht überlebt. Sein Bruder Witja, der nicht verheiratet war, war Soldat in der Roten Armee und ist in Odessa umgekommen. Die anderen haben den Krieg überlebt. Nach dem Krieg war es nicht allen Geschwistern möglich, aus der UdSSR heraus zu kommen, denn Czernowitz gehörte ab 1944 zur UdSSR, und die Russen haben nach ein paar Monaten die Grenzen abgeriegelt. Mein Mann und sein Bruder Jascha haben es rechtzeitig geschafft, aber seine drei Schwestern, Raja, Polja und Frieda, sind zurück nach Czernowitz gekommen, als man nicht mehr herauskam.
Ich möchte etwas über die Familie meines Mannes erzählen: Mein Mann und seine Geschwister waren während des Krieges vor den Deutschen und Rumänen bis nach Kasachstan geflüchtet, sonst hätten sie nicht überlebt. Sein Bruder Witja, der nicht verheiratet war, war Soldat in der Roten Armee und ist in Odessa umgekommen. Die anderen haben den Krieg überlebt.
Ich möchte etwas über die Familie meines Mannes erzählen: Mein Mann und seine Geschwister waren während des Krieges vor den Deutschen und Rumänen bis nach Kasachstan geflüchtet, sonst hätten sie nicht überlebt. Sein Bruder Witja, der nicht verheiratet war, war Soldat in der Roten Armee und ist in Odessa umgekommen.
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During WW2
See text in interview
Ich möchte etwas über die Familie meines Mannes erzählen: Mein Mann und seine Geschwister waren während des Krieges vor den Deutschen und Rumänen bis nach Kasachstan geflüchtet, sonst hätten sie nicht überlebt.
Mein Mann hat weiter sein Reisebürounternehmen am Graben geführt. Eine Tages kam ein Herr Dauber und hat zu ihm gesagt: Muzicant, ich brauch ein Geschäft am Graben. Also mein Mann, der sehr tüchtig war, hat sofort geschaltet und gesagt: Sicher, ich habe etwas für Sie. Dann ist er zur Firma Mayerl gegangen und hat gefragt, ob sie nicht ein Geschäft am Graben haben. Die Firma Mayerl hat ihm ein Geschäft angeboten, und der Herr Dauber hat es gekauft. Die Provision hat mein Mann mit den Angestellten der Firma Mayerl geteilt. Und dadurch ist er auf die Idee gekommen, selber ein Immobilien Vermittlungsbüro zu gründen. Sein erstes Büro befand sich in der Hegelgasse. Das war das Büro der tschechischen Fluglinie, und die haben ein größeres Lokal gebraucht, das ihnen mein Mann in der Wollzeile vermittelt hat. In der Hegelgasse war der Beginn der Immobilienfirma Columbus.
Wir haben in einer 2-Zimmer Untermietwohnung in der Taborstraße 24a gewohnt, und wollten uns eine andere Wohnung suchen. Am Stephansplatz gab es das Wohnungsvermittlungsbüro Mayerl. Mein Mann ist dort rauf gegangen und hat gesagt, wir hätten gerne eine Wohnung. Die haben uns wirklich eine Wohnung mit Zentralheizung und zwei Zimmern im vierten Bezirk, in der Pressgasse 11, im ersten Stock mit Lift, vermietet. Da waren wir überglücklich! Vor uns hat dort ein Regisseur gewohnt, Oscar Fritz Schuh, glaube ich, hat er geheißen [Anm.: Oscar Fritz Schuh, 1904-1984 war ein deutscher Dramaturg, Regisseur und Intendant]. Aber wir haben ihn nicht gekannt. Er hat die Wohnung mit Einrichtung verkauft: das Schlafzimmer, viele Stellagen und die Küche, die komplett, sogar mit Töpfen, eingerichtet war, haben wir übernommen.
Meine Tochter Desiree ist 1958 dort zur Welt gekommen. Meine Kinder hatten ein Zimmer, wir hatten ein Schlafzimmer, und das große Vorzimmer war unser Wohnzimmer. Wenn meine Mama bei uns gelebt hat, hat sie mit den Kindern im Zimmer geschlafen.
Meine Tochter Desiree ist 1958 dort zur Welt gekommen. Meine Kinder hatten ein Zimmer, wir hatten ein Schlafzimmer, und das große Vorzimmer war unser Wohnzimmer. Wenn meine Mama bei uns gelebt hat, hat sie mit den Kindern im Zimmer geschlafen.
Die polnischen Juden waren die größte Gruppe unter den Juden in Wien. Sie kamen 1946 aus Lagern nach Wien. 1956, gerade als wir gekommen sind, war in Ungarn Revolution, und da sind viele Ungarn, darunter auch Juden nach Wien gekommen. Die Polen hatten schon einen höheren Lebensstandard. Gewohnt haben sie aber alle noch immer in Untermietzimmern aus Koffern, weil sie bis zum Staatsvertrag 1955 nicht gewusst haben, ob die Russen bleiben und sie wieder flüchten müssen. Das war mir alles so fremd, daran hab ich mich erst gewöhnen müssen.
Nachdem wir nach Wien gekommen waren, hat mein Mann nicht genau gewusst, welche Richtung er beruflich einschlagen soll. Eine Zeitlang hatte er einen rumänischen Kompagnon. Mit ihm zusammen hat er die Hilfe durch Care Pakete [19] aus Amerika gestartet und durchgeführt. Nachher ist das auseinander gegangen, und mein Mann hat dann versucht, wieder im Reisebüro zu arbeiten. Zu dieser Zeit sind schon viele Leute als Touristen und zu ihren Familien nach Israel gefahren. Er hat auch versucht, amerikanische Touristen nach Österreich zu holen. Er hatte dann einen Job beim Reisebüro Capri, das war am Graben, wo jetzt die Firma Schöps [mittlerweile „Nespresso“] ist. Der Inhaber war ein sehr anständiger Mensch, ein erklärter Sozialdemokrat, Svoboda hieß er. Er war nach einem Gespräch mit meinem Mann einverstanden, ihn arbeiten zu lassen. Zwar ohne Gehalt, aber mit einem Anteil an Prozenten der Kunden, die er in die Firma bringen würde. Es war nicht leicht, weil meinem Mann nicht einmal ein Schreibtisch zugeteilt wurde. Sein Büro war in einer großen Aktentasche. In der Firma arbeitete ein Prokurist, der wollte die Firma von Herrn Svoboda übernehmen, und der war eifersüchtig auf meinen Mann, weil mein Mann sehr tüchtig war. Damals brauchte man, um ein Reisebüro zu führen, eine Lizenz. Und die wurde nicht erteilt, das wurde sehr restriktiv behandelt. Am Ring war ein kleines Geschäft, und mein Mann wollte das Geschäft als Reisebüro mit einem anderen älteren Herrn betreiben. Aber der hat sich das dann überlegt, und es ist nicht zustande gekommen.
In Israel war Ari zwei Jahre im Kindergarten, und er konnte schon etwas Hebräisch sprechen Als wir nach Wien gekommen sind, war er vier Jahre alt. Für ihn war der Umzug nicht so einschneidend, er war noch zu klein. Und wir sind auch alle Feiertage, besonders aber im Winter und im Frühjahr nach Israel zur Familie gefahren. Ari hat in Wien dann das Lycee, das ist die französische Schule, vom Kindergarten bis zur Matura besucht. Es war die Zeit, in der ich noch so verzweifelt war, dass ich niemanden kannte, und ich war glücklich, dass es diese Schule in Wien gab. Und langsam hatte ich ein paar jüdische Freundinnen, aber es war nicht leicht, sich zu integrieren.
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After WW2
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Irgendjemand hat mir dann gesagt, wenn ich jüdische Gesellschaft suche, soll ich ins Gartenbau-Cafe gehen, da treffen sich die Frauen der Wizo [18], die spielen Karten.