Tag #131707 - Interview #78305 (Vladimir Baum)

Selected text
Schon als Kind erlebte ich sehr stark den bestehenden Judenhass. Als ich sechs war, haben mich auf dem Spielplatz im Park andere Jungen als 'dreckiger Jude' beschimpft. Dieser Antisemitismus hatte natürlich einen großen Einfluss auf mich. Ich war bereits in den unteren Klassen des Gymnasiums politisch sehr aufgeweckt.

Ich war zehn, als ich am 30. Januar 1933 Hitlers Rede als deutscher Kanzler gehört habe. Diese Rede beeinflusste mich sehr. Der Antisemitismus kam eindeutig heraus, eine persönliche Gefahr spürte ich noch nicht, aber ich wusste bereits, dass Juden anders sind und von den Nichtjuden nicht angenommen werden.

Dass man als Jude nicht akzeptiert wird, bekam ich auch in der ersten Gymnasiumsklasse zu spüren. Ich wollte mich in einer Organisation engagieren, die hieß die 'Adriawacht' [6]. Die Jahrgänge im Gymnasium waren in parallele A, B und C Klassen unterteilt: A und C waren für Kinder römisch-katholischen Glaubens und B war für Kinder jüdischen, protestantischen, serbisch- orthodoxen und moslemischen Glaubens. Das war ein tolles Gemisch! Ich ging aus meiner B- Klasse in eine A- Klasse, um für die 'Adriatische Wacht' zu agitieren. Das hatte überhaupt nichts mit dem Judentum zu tun, aber die Kinder der A-Klasse schmissen mich hinaus wie ein Stück Dreck. Ich war damals zehn Jahre alt und sehr allein mit dieser Problematik, denn meinen Eltern erzählte ich nichts davon. Das ist schwer zu verstehen, aber ich hatte wirklich eine sehr schlechte, sehr schwache Beziehung zu meinen Eltern. Später bereute ich, dass ich nicht offener zu den Eltern war, nicht mehr auf sie zuging.
Period
Location

Kroatien

Interview
Vladimir Baum