Tag #131947 - Interview #78544 (Robert Walter Rosner)

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Religionsunterricht war, und ist auch heute, Teil des regelmäßigen Unterrichtes. Da es genügend jüdische Schüler gab, war der Religionslehrer ein Mitglied des Lehrkörpers. Im Religionsunterricht haben wir Hebräisch gelernt. Mein Religionslehrer war Zionist, er hat versucht, uns auch das moderne Hebräisch beizubringen, aber er war kein guter Pädagoge. Ich kann aber trotzdem heute noch ein wenig Hebräisch. Einmal in der Woche mussten die jüdischen Kinder in den Tempel gehen. Das war bei mir der Tempel in der Neudeggergasse. Jeder Schüler erhielt eine Karte mit dem Wochenabschnitt, wodurch ersichtlich war, dass er am Jugendgottesdienst teilgenommen hatte. Mein Vater war ein zutiefst überzeugter Jude und hat sehr darauf geachtet, dass ich am Jugendgottesdienst teilnehme, aber ich habe mich vor dem Religionsunterricht gedrückt, soweit ich konnte. Zu den hohen Feiertagen bin ich in den Tempel gegangen und habe so schnell wie möglich geschaut, dass ich wieder raus komme, denn ich habe mich gelangweilt. Aber ich war nicht der einzige, der sich gelangweilt hat. Mein Vater hat von mir verlangt und erwartet, dass ich Bar Mitzwa [7] werde. In dieser Beziehung hatte mein Vater einen sehr großen Misserfolg mit mir. Er zwang mich zu religiösen Dingen, und hat es nicht verstanden, sie mir schmackhaft zu machen. Durch diesen Zwang stehe ich dem jüdischen Gottesdienst noch heute etwas ablehnend gegenüber. Ich habe für meine Bar Mitzwah dann alles auswendig gelernt. Es gab keine große Feier, nur die Eltern waren anwesend. Mein Vater hatte bei seinem Enkel, dem Sohn meiner ältesten Schwester, mehr Erfolg. Meine Schwester hatte drei Kinder, Sandra, Barbara und Henry. Sie starb bereits 1962 in Amerika an Krebs, und meine Eltern haben in ihrem Haushalt gelebt und zum Teil die Kinder aufgezogen. Mein Vater wurde in Amerika noch religiöser. Henry kann Hebräisch, und er kann die Gebete. Das hat alles mein Vater ihm beigebracht.
Period
Location

Vienna
Österreich

Interview
Robert Walter Rosner