Tag #132457 - Interview #78289 (Gertrude Kritzer)

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Meine Zeit in Israel war sehr schwer, aber ich würde sie nicht missen und
nicht tauschen wollen. Zwei Jahre verbrachte ich in einem frommen
Mädchenhaus von der 'Misrachi' [16], in Tel Aviv. Das Haus, mitten in Tel
Aviv, wurde von religiösen amerikanischen Damen gespendet. Es war ein sehr
schöner Bau, jetzt ist eine Schule darin.

Wir waren ungefähr 120 österreichische, deutsche und tschechoslowakische
Mädchen. Zwei Jahre mussten wir putzen, zum Beispiel die Kacheln im
Badezimmer mit Sand und dann mit Seife, damit sie ja schön glänzen, und wir
mussten Handarbeiten machen. Für mich waren es zwei verschenkte Jahre.
Heute sage ich, es ist wirklich schrecklich schade, wir hätten viel lernen
können in dieser Zeit. Wir mussten immer einen Piaster zahlen, wenn wir
Deutsch untereinander sprachen statt Hebräisch. Aber ehrlich gesagt,
Hebräisch habe ich dort nicht gelernt, obwohl wir Unterricht hatten. Aber
wir waren sehr gut aufgehoben, alles war sehr religiös. Meine Eltern hätten
das so gewollt, obwohl es damals für sie nicht mehr so wichtig gewesen ist;
Hauptsache, ich war gerettet! Aber es gefiel ihnen, dass ich in einem
religiösen Heim untergekommen war.

Nach zwei Jahren durften wir uns ein Zimmer und Arbeit suchen. Wir konnten
aber zunächst noch im Heim schlafen, bis wir etwas gefunden hatten. Weil
wir nichts besaßen, zogen immer zwei Mädchen zusammen in ein Zimmer. Meine
Mama hatte mir eine Tuchent [Deckbett] mitgegeben, die legte ich auf den
Fußboden des ersten Zimmers, in dem es nicht einmal eine Matratze gab.
Meine Freundin Hilde und ich suchten uns dann ein Zimmer mit Matratzen. Das
hatte aber den Nachteil, dass es ansonsten absolut leer war.
Period
Location

Tel Aviv
Israel

Interview
Gertrude Kritzer