Tag #132811 - Interview #78309 (Paul Back)

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Meine Großmutter bemühte sich nach dem Tod des Großvaters weiterhin einen traditionellen Haushalt zu führen. Das war nicht immer leicht, weil sich das schon durch die physischen Gegebenheiten in einer so kleinen Wohnung mit vielen Kindern schwer aufrechterhalten lässt.

Sie versuchte milchiges und fleischiges [Dies geht auf die Bestimmung zurück: 'Du sollst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter zubereiten.'] auseinander zu halten, obwohl das nicht einfach war, weil man getrenntes Geschirr und Besteck braucht. Trotzdem es ihr nicht gelang, den Haushalt hundertprozentig koscher zu führen, kam aber Schweinefleisch sicher nicht ins Haus!

Den Schabbat gestaltete sie feierlich. Es wurden Kerzen auf Leuchtern entzündet, es kam immer eine Challe [jüdische Festbrot in Zopfform], ein Schabbatbrot, auf den Tisch. Es roch auch anders, ein ganz besonderer Geruch war das.

Diese kleine Wohnung wurde geschrubbt und auf Hochglanz gebracht, das wurde all die Jahre beibehalten. Einmal im Jahr, zu den hohen Feiertagen, zu Rosch Haschanah [Jüdisches Neujahr] und zu Jom Kippur [jüdische Versöhnungstag; wichtigste Feiertag der Juden] ging meine Großmutter in den Tempel in der Klucky Gasse, aber sonst nicht.
Period
Location

Vienna
Österreich

Interview
Paul Back