Tag #133057 - Interview #78548 (Emilia Ratz)

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Der Krieg brach am 1. September 1939 [13] aus. Meine Freundin und ich fuhren Ende August mit der Straßenbahn zur Technischen Universität, um unsere Papiere für das Studium einzureichen. Ich wollte Chemie studieren, es war mein Wunsch, einmal als Chemikerin zu arbeiten. Im Zentrum der Stadt hörte ich, dass kleine Buben laut schreiend die ‚Extraausgabe’ einer Zeitung verteilten. Ich sagte zu meiner Freundin, dass ich aussteige, weil ich sehen muss, was in der Zeitung steht. Der Krieg lag bereits in der Luft! Als ich über die Mobilmachung der Männer in der Zeitung las, sagte ich zu meiner Freundin: ‚Ich gebe meine Papiere nicht her, der Krieg ist so gut wie sicher.’ Sechs Tage später waren die Deutschen vor Warschau. Die Männer und die jungen Leute versuchten zu fliehen. Auch ich wollte weg, weil ich ahnte, dass es schlimm werden würde.

Ich war hundertprozentig davon überzeugt, dass man fliehen muss. Die polnische Regierung sagte: ‚Wir sind stark, wir werden kämpfen und wir werden siegen!’ Und in meinem kleinen Gehirn - damals glaubte ich allerdings, ich sei wahnsinnig erwachsen und weiß schon alles - wusste ich in dieser Zeit, dass der Kampf gegen die Deutschen verloren war. Warschau fiel nach drei Wochen in die Hände der Deutschen.
Period
Location

Warsaw
Polen

Interview
Emilia Ratz