Tag #133061 - Interview #78548 (Emilia Ratz)

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Ich terrorisierte von außen meine Eltern und sagte, ich käme nur dann zurück, wenn sie wenigstens mich gehen ließen. Ich war noch nicht volljährig, aber es fehlten nur ein paar Monate.
Bereits kurze Zeit nach dem Einmarsch der Deutschen nach Warschau sah ich, wie man auf einem Markt einem Juden den Bart abschnitt. Ich sagte zu meinen Eltern: ‚Ich weiß, ich habe hier keine Chance. Ihr habt auch keine Chance, aber ich kann euch nicht zwingen mitzukommen.’ Mein Vater blieb stur, es kam für ihn nicht in Frage, mich gehen zu lassen, und in dem Moment sagte meine Mutter zu meinem Vater, sie brachte wahrscheinlich ihren ganzen Mut auf: ‚Weißt du was, ich kann für Mila die Verantwortung nicht übernehmen, ich weiß nicht, was passieren wird.’ Daraufhin stimmte mein Vater zu. Seine Bedingung war, ich dürfe nicht mit allen ‚Verrückten’ gehen, er besorgte ein Taxi für mich. Mit dem Taxi sollte ich zum Bruder meiner Mutter, Onkel Joel, nach Bialystok fahren, und der werde sich schon um mich kümmern. Mein Vater steckte noch 100 Zloty in meine Schuhe, was überhaupt keinen Sinn hatte, denn mit dem Geld konnte ich überhaupt nichts mehr anfangen.
Period
Year
1939
Location

Warsaw
Polen

Interview
Emilia Ratz