Tag #133922 - Interview #78530 (Edith Brickell)

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Im Sommerurlaub gingen meine Eltern nur in koschere Hotels. Bis ich sechs Jahre alt war, mieteten meine Eltern jeden Sommer eine Wohnung in Baden. Sie fuhren, schon bevor ich auf der Welt war, jedes Jahr dorthin und wohnten im Helenental, zehn Jahre hintereinander.

Das Haus, in dem wir den Sommer verbrachten, gehörte einem verarmten jüdischen Baron, und der vermietete es. Meine Eltern mieteten ein Auto, und wir nahmen Geschirr und sogar das Bettzeug mit hinaus. In Baden gab es einen koscheren Fleischhauer, bei dem kauften wir das Fleisch.

Zwischen meinem sechsten und zehnten Lebensjahr waren wir jeden Sommer in Italien. Die erste Hälfte verbrachten wir in Grado in dem koscheren Hotel ‚Orange’. Die zweite Hälfte des Sommers waren meine Eltern mit meinem Bruder Gustl in Bad Gastein und das Kinderfräulein, mein Bruder Friedl und ich in Boeckstein.

Vielleicht war das so, weil Bad Gastein zu teuer für uns alle gewesen wäre. Mein Vater kam später und fuhr früher wieder nach Wien, weil er vom Geschäft nicht so lange abkömmlich sein konnte. Ab 1934 fuhr meine Mutter zur Kur nach Piestany [heutige Slowakei], da gab es auch ein koscheres Hotel. Wir fuhren alle mit, auch meine Großmutter.

Dann verbrachten wir die Sommer noch in Trencin-Teplitz [heutige Slowakei], und auch in Bad Ischl, natürlich auch in koscheren Hotels. Es ging uns sehr gut, trotzdem wurden wir Kinder zur Bescheidenheit erzogen. Es fehlte uns nichts, aber es gab auch Grenzen: Alles durften wir nicht, und alles bekamen wir nicht.
Period
Location

Österreich

Interview
Edith Brickell