Tag #115010 - Interview #78283 (Alice Granierer)

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In Palästina waren zu dieser Zeit viele Unruhen zwischen den Engländern und jüdischen Organisationen, wie der Haganah [7]. Es gab sehr oft Curfew, Ausgehsperre. Da konnten wir oft nicht aus der Wohnung heraus.

Wenn die Engländer mit den Lastwagen gekommen sind und gerufen haben: Curfew from 2 o´clock till 5 o´clock, haben alle Geschäfte sperren müssen. Eine Stunde war Zeit, dann musste jeder nach Hause gehen, Geschäft gesperrt, keine Schule, gar nichts, da war eben Curfew, also Ausgangsverbot, und das war sehr, sehr unangenehm.

Einmal schrie einer vom Lastwagen: 'Ausgehverbot! In einer Stunde hat jeder zu Hause zu sein.' Wir hatten draußen auf dem Platz gespielt, und ein Mädel hat sich den Fuß verknackst.

Alle sind nach Hause gelaufen, aber sie konnte nebbich nicht. Und ich Meschuggene hab kein Herz gehabt, sie in der Situation allein zu lassen und hab sie zuerst nach Hause gebracht. Und wie ich nach Hause gehen wollte, ist schon ein Lastauto unten auf der Straße gestanden und hat alle, die noch auf der Gasse waren, eingesammelt und zur englischen Polizei gebracht.

Natürlich hab ich Angst gehabt. Ich habe gewusst, es besteht die Möglichkeit, dass ich ein paar Wochen im Gefängnis sitzen muss, und das kostete auch noch Geld. Aber das war ein Glückstag.

Da waren immer Leute, die bei den Fenstern gestanden sind und geschaut haben, und sie haben mir ein Zeichen gegeben, und ich bin stehen geblieben, bis die Luft rein war. Dann haben sie gerufen: 'Lauf' und ich bin gelaufen. Und so bin ich nach Hause gekommen.

Es gab verschiedene solcher Ereignisse. Zum Beispiel ist mein Vater von den Engländern verhaftet worden. Denn in der 'eleganten' Wohnung, in der wir gewohnt haben, war die Toilette im Hof.

Der Hof hat geführt zur Gasse. Da war ein langer, langer Gang; dann musste man in den Hof hinaus, und dort war die Toilette. So eine, wo man hockerln muss. Als mein Vater raus zum Klosett gegangen ist, haben ihn die Engländer geschnappt, und er hat die ganze Nacht auf der Wache verbringen müssen.

Durch die dauernden Ausgangssperren konnte mein Vater nicht zur Arbeit gehen. Wir sind oft tagelang eingesperrt gewesen und haben nicht gewusst, was wir essen sollen. Und es ist uns noch schlechter gegangen als am Anfang.
Location

Jerusalem
Israel

Interview
Alice Granierer