Tag #115078 - Interview #78301 (Bruno Bittmann)

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Bis 1939 hatte ich eine ganz normale Jugend. Dann kamen die Russen, und ich musste nun in die russische Schule gehen. Nach sechs Monaten konnte ich russisch. Wir durften keine Radios mehr besitzen, es gab für die Bevölkerung Lautsprecher.

Zwei Drähte gingen über die Dächer für die Lautsprecher, und so hörten wir die offiziellen Mitteilungen. Da ich immer gern bastelte, versuchte ich ein Radio zusammenzubauen mit dem Erfolg, dass der russische Geheimdienst in die Schule und zu meinen Eltern kam.

Zum Glück passierte uns nichts. Man konnte nächtelang nicht schlafen und hörte, wie die Menschen abtransportiert wurden - die Russen begannen sofort, zu deportieren. Sie hatten Listen mit Namen und Adressen der Reichen bis Mittelreichen, und diese 'Kapitalisten' wurden sofort nach Sibirien deportiert.

Immer gegen 2 Uhr in der Nacht kamen zwei Lastwagen, dann mussten die Verhafteten die Koffer packen, und dann waren sie weg. Mein Vater wusste, dass auch er auf dieser Liste steht, aber bis die Russen zu uns kamen war der Krieg bereits ausgebrochen - und dann kamen die Deutschen.

So ist das Schicksal! Wir hatten keine Chance aus Czernowitz zu fliehen, alles ging viel zu schnell. Meine Eltern, und das rettete unser Leben, waren polnische Staatsbürger und besaßen einen dunkelblauer Pass.
Year
1939
Location

Ukraine

Interview
Bruno Bittmann