Tag #115094 - Interview #78301 (Bruno Bittmann)

Selected text
In einem Kino der Stadt spielte das 'Jüdische staatliche Nationaltheater' aus Kiew. Das Theater war aus Kiew nach Czernowitz übersiedelt, weil in Kiew das Theater zerstört worden war. In dem Kino begann ich als Elektriker zu arbeiten. Schon als Kind war das mein Hobby. Ich bastelte und mein Vater musste immer den Stecker in die Steckdose stecken, damit ich mir die Ohren zuhalten konnte, wenn es knallte.

Der ehemalige Besitzer des Kinos war ein Bekannter der Familie. Er war im Kino der Hauptelektriker, und ich wurde sein Gehilfe. Ich kannte in dieser Zeit alle Vorstellungen auswendig. Ich musste immer bei den Proben dabei sein, und dadurch lernte ich jiddisch.

Auch heute verstehe ich jiddisch, aber sprechen kann ich es nicht mehr, aber damals sprach ich nur noch in Prosa. Ich verbrachte auch die Nächte dort. Die Gefahr, wenn man am Abend nach Hause gegangen wäre, auf der Straße von den Soldaten erwischt zu werden war groß, und nach Donbass zu den Kohlengruben wollte ich nicht deportiert werden, denn von da kam man nie mehr zurück. Mein Vater sagte immer, die Besatzung der Deutschen und die Besatzung der Russen sei das Gleiche, nur mit anderen Vorzeichen.

Unter Stalin durfte man nichts sagen. Meine Mutter hatte immer Angst, weil ich so ein Revoluzzer war. Bevor ich die Arbeit als Elektriker im Theater bekam, meldete ich mich bei der Miliz. Man konnte schießen, man bekam ein Gewehr - das gefiel mir. Eines Tages musste ich jemanden, der verhaftet wurde, abholen.

Ich kannte ihn und habe beschlossen, das nicht zu tun. Ich habe zu meiner Mutter gesagt, dass ich nicht mehr bei der Miliz arbeiten will. Sie bekam einen furchtbaren Schreck: 'Bist du verrückt, du kommst da nicht mehr heraus, man wird dich verhaften!' Das war mir aber egal, ich wollte das nicht machen.

Ich ging zu meinem Vorgesetzten und habe ihm gesagt, dass ich das nicht mache. Er hat schrecklich getobt und mir gedroht, aber ich habe gesagt: 'Von mir aus sperr mich ein, ich verhafte niemanden,' habe meinen Ausweis und meine Pistole auf den Tisch gelegt und bin gegangen. Nichts ist passiert!
Period
Year
1944
Location

Ukraine

Interview
Bruno Bittmann