Tag #115629 - Interview #78568 (Aron Neuman)

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Ich wollte weg, aber ich war noch nicht 21 Jahre alt und konnte nicht ohne Genehmigung der Eltern fahren. Ich ging zum Vater nach Sendzishow und bat ihn, er soll mir erlauben, nach Palästina zu gehen. Er antwortete: ‚Bist du verrückt geworden, du willst nach Palästina fahren? Dort wirst du Straßenbauarbeiter! Hier hast du eine Zukunft, deine Geschwister haben Holzplätze, zwei haben Sägewerke. Du wirst einen Holzplatz aufmachen, heiraten und wie deine Brüder Geld nach Hause bringen.’ Als ich 21 wurde, bezahlte ich 700 Zloty für die Fahrt nach Palästina. Das Monatsgehalt eines Facharbeiters waren damals 100 Zloty. Legal konnte man nicht nach Palästina fahren, die Engländer ließen nicht so viele Juden hinein.
Menachem Begin war seit 1939 Führer des ‚Betar‘. Ich traf ihn auf einem Vortrag in Königshütte. Er organisierte die illegale Auswanderung von jungen Juden.

Nach dem 1. August 1939 ging ich mit einem Rucksack von zu Hause weg. Auch mein Bruder wollte nicht, dass ich gehe. Aber nachdem ich den Jabotinsky gehört hatte, sagte ich zu meinem Bruder: ‚Karl, verkauf‘ jetzt den Holzplatz, jetzt kannst du eine Menge Geld dafür haben. Und dann musst du weg von hier.’ ‚Was redest Du? So ein Geschäft werde ich aufgeben? Das Geld fließt doch.’ Das sagte mein Bruder. Auch zu meinem Vater sagte ich: ‚Verkauf die Landwirtschaft und geh weg!’ Diejenigen, die Geld hatten, konnten ohne Erlaubnis nach Palästina auswandern. Der Vater antworte: ‚Was soll ich? Auf meine alten Tage werde ich irgendwo gehen?’ Keiner hat auf mich gehört, keiner wollte weggehen. Es ist allen gut gegangen. Ich habe mich von den Eltern verabschiedet. Mein Vater hat geweint und gesagt: ‚Sohn, fahr gesund und komm gesund zurück.’ Es roch schon nach Krieg!

Ungefähr 1 500 Mädels und Buben aus verschiedenen Ländern sind Menachem Begin gefolgt. Wir hatten zwei Personenzüge, in jedem Coupé saßen acht Jugendliche, und wir fuhren zur rumänischen Grenze. Polen und Rumänien hatten damals eine gemeinsame Grenze. Die rumänischen Grenzbeamten sollten bestochen werden, die haben sich bestechen lassen, aber es hat sehr lange gedauert, und es war eine große Ansammlung. Vermutlich hatte die englische Botschaft davon erfahren und interveniert. Als die zwei Züge an der Grenze ankamen, wir hatten keine Visa, blieben wir einen Tag in den Waggons, dann mussten wir raus auf eine Wiese, alle 1500 Leute. Nur Rucksäcke und Decken hatten wir. Zwei Wochen haben wir auf der Wiese auf die Weiterfahrt gewartet. Nach zwei Wochen hat uns Begin versammelt und gesagt: ‚Wir kommen nicht durch, es gibt Hindernisse, ihr müsst zurück nach Hause. Jeder von Euch bekommt 50 Zloty für die Rückfahrt, wir werden später kleine Gruppen bilden und euch wegschaffen.
Interview
Aron Neuman