Tag #115633 - Interview #78568 (Aron Neuman)

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Meine Mutter wurde von 1942 bis Anfang 1943 von einem Polen versteckt. Es begannen die Deportationen, und wenn sie zu wenige Leute für die Waggons hatten, gingen sie in die Firmen. Die SS, die Litauer und die Ukrainer umstellten unser Lager. Als wir um fünf Uhr die Arbeit beendet hatten, hörten wir: ‚Juden raus!’ Dann führten sie eine Selektion durch. ‚Was macht der alte Jude hier,‘ fragte ein SS Mann den Dolmetscher und deutete auf meinen Vater. Der antwortete: ‚Das ist ein tüchtiger Tischler.’ Mein Vater war Tischler wie ich Priester bin, aber er durfte bleiben. Meinen Neffen, den Izio, nahmen sie mit, zwei Cousins, meine Schwester Hanna, meine Schwägerin und andere Verwandte. Geblieben ist mein Vater, mein Bruder Martin mit dem Sohn Dolek und Shmuel, der Sohn meiner Schwester Hanna. Shmuel war 13 Jahre alt, den hatten sie übersehen. Er blieb am Leben und lebt noch heute in Israel. Wie sie uns einsperrten in die Baracke, als die anderen weggeführt wurden in die Waggons, hat mein Vater bitterlich geweint. Er hat den Izio sehr geliebt, das war sein liebstes Enkelkind. Dann hat er zu uns gesagt: ‚Meine Kinder, ich werde euch was sagen. Ich habe mein ganzes Leben lang gebetet und an Gott geglaubt. Heute sage ich euch, es gibt keinen Gott, der Himmel ist leer. Warum hat der Herrgott Kinder auf die Welt bringen lassen, die man jetzt umbringt? Warum?‘ Und ich sage auch heute, wie mein Vater: Der Himmel ist leer, es gibt keinen Gott!
Interview
Aron Neuman