Tag #115647 - Interview #78568 (Aron Neuman)

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Mein Bruder hat mir aus Israel geschrieben, dass er einen Eisenplatz eröffnet habe, und ich sein Kompagnon werden soll. Meine Schwester Esther schrieb mir aus den USA:
‚Weg von dort, weg von den Antisemiten.‘ Ich habe meiner Frau ein Ultimatum gestellt:
Entweder ich gehe nach Israel und sie kommt mit, dann ist es gut, wenn nicht, möchte ich aber unseren Sohn Jacob mitnehmen. Jacob war damals 10 Jahre alt. Er war mit polnischen Kindern aufgewachsen, wusste aber, dass ich Jude bin und er sagte: ‚Wenn der Papa ohne mich fährt, springe ich vom 6. Stock aus dem Fenster.’ Er hat mich sehr geliebt und bis heute verehrt er mich. Wir fuhren alle zusammen nach Israel. Zuerst besuchte ich einen Ulpan [Sprachkurs] in Carmiel. Das war ein besonderer Ulpan. Ich hatte in Israel eine Freundin, die kannte ich noch aus der Zeit vor dem Krieg aus Königshütte. Ihr Mann war ein höherer Beamter, der brachte mich in diesem exklusiven Ulpan unter. Ich bekam dort eine eingerichtete Drei-Zimmer-Wohnung.

Nach sechs Wochen rief meine Schwägerin an, sie hätte eine Wohnung bei Tel Aviv für uns gefunden, ich soll kommen. Die Wohnung war klein, ich hatte aber meine Möbel aus Polen mitgenommen, die Hälfte musste ich dann davon wegschmeißen. Eigentlich wollte ich lieber wieder nach Carmiel, aber mein Bruder Karl wurde krank, und man bat mich, meinem Neffen Reuven bei der Arbeit zu helfen. Araber und Juden arbeiteten zusammen auf dem Eisenplatz. Ich übernahm die Buchhaltung des Betriebes. Schon in Polen wurde ich als Pedant bezeichnet. Die Araber haben mich geschätzt, ich war pünktlich, ich war genau und jeder hat bis zum letzten Groschen sein ihm zustehendes Gehalt bekommen. Im Jahre 1973 war der Jom Kippur-Krieg [12]. Am Anfang sah es sehr schlecht für Israel aus. Die Araber kamen nicht zur Arbeit, es war aber auch nicht viel zu tun. Als ich nach Hause kam, sagte meine Frau: ‚Stell Dir vor, der Rasem, er war Araber und Vorarbeiter, ist mit seinem Auto gekommen und hat gesagt: ‚Frau Neuman, wir hören die arabischen Sender, wenn es gefährlich wird, nehme ich euch mit zu uns nach Hause.‘ So sehr hat er uns gemocht.
Interview
Aron Neuman