Tag #115711 - Interview #78301 (Bruno Bittmann)

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In Rumänien war inzwischen der Kommunismus ausgebrochen, da habe ich zu meiner Familie gesagt, dass ich flüchten werde. Aber an der rumänisch- ungarischen Grenze haben sie mich erwischt. Von der Grenze bis nach Klausenburg, wo ein Militärgefängnis war, musste ich zu Fuß gehen - auch die Soldaten gingen zu Fuß - das waren immerhin 125 Kilometer. Ich wurde zu drei Monaten verurteilt, und da hatte ich noch Glück, denn wäre ich volljährig gewesen, hätten sie mich zu zwölf Jahren verurteilt.

Das war psychologisch interessant: Als ich in das Gefängnis hereinkam, die Tore schlossen sich, hätte ich am liebsten Selbstmord begangen. Dann aber kommt man in die Maschinerie: es werden die Haare geschoren, man bekommt eine Uniform, und die Fingerabdrücke werden genommen.

Es waren sechzig Mann in einer Zelle, dreißig oben, dreißig unten. Und plötzlich entstand eine Art Freundschaft unter den Gefangenen, dass ich nicht mehr weggehen wollte. Es gab harte Zeiten am Tag, aber am Abend befand ich mich in einer großen Familie.

Wir mussten schwer arbeiten, zum Teil als Holzfäller. Das Essen war Wasser mit ein wenig Gemüse zum Mittag. Ich wurde Gefängniselektriker und marschierte jeden Tag mit einem Soldaten mit aufgestelltem Bajonett durch die Stadt, um in den Wohnungen von Offizieren die Elektrik zu reparieren.

Glücklicherweise, an Vortag des Tages, an dem mein Vater mich besuchte, suchte der Chauffeur des Militärrichters beim Morgenappell einen Elektriker für das Auto des Militärrichters. Bevor ich ins Gefängnis ging, hatte meine Mutter mir goldene Münzen in meine Hosen genäht und Dollarnoten in Zigaretten versteckt.

Niemand hatte etwas bemerkt. Ich wollte die Dollar und die Münzen aber loswerden und meinem Vater geben. Ich hatte keine Ahnung von Autorelektrik, meldete mich aber trotzdem, damit ich hinauskomme. Am Auto des Militärrichters putzte ich ein wenig herum, traf dann meinen Vater und übergab ihm die Goldmünzen und die Dollarnoten.

Beim Abendappell fragte mich der Chauffeur des Militärrichters: 'Ist das Auto in Ordnung?' 'Ja, bestens', habe ich zu ihm gesagt. Am nächsten Tag war Morgenappell. Ich wurde herausgeholt, und der brüllte mich an, weil man das Auto zwei Stunden mit Pferden in die Stadt hatte ziehen müssen und der Autoelektriker sich an den Kopf gefasst hatte, als er meine Arbeit begutachtete. So war das! Ich nahm das alles mit Humor.

Dann bekam ich Scharlach. Man ließ mich nicht aus dem Gefängnis heraus, obwohl die drei Monate vorbei waren. Aber mein Vater kannte einen, der bestach den Gefängnisarzt. Der gab mir eine Tetanusspritze gegen Scharlach, damit ich niemanden anstecke im Zug. Daraufhin bekam ich eine Tetanusvergiftung, aber ich war wieder in Bukarest.
Location

Romania

Interview
Bruno Bittmann