Tag #116489 - Interview #78548 (Emilia Ratz)

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Allerdings gab es einen Druck von oben, man solle sich ‚Einpolen’, wie ich das nenne, man sollte polnische Familiennamen annehmen. Darüber gab man 1947 oder 1948 Dokumente heraus. Man rief uns auf die Miliz und sagte, wir sollen den Namen Ratz in Raczynski oder Rakowski oder so etwas verändern. Da sagte mein Mann: ‚Das Einzige, was mir von meiner Familie geblieben ist, ist mein Name, und den verändern wir nicht!’ Die meisten Juden in Polen änderten aber ihre jüdischen Familiennamen. Einmal rief mich ein Mann geschäftlich aus Poznan an. Nach dem geschäftlichen Teil des Gesprächs begann er mir jüdische Witze zu erzählen. Die Witze waren nicht schlecht, und ich lachte auch, aber dann sagte ich zu ihm: ‚Wissen Sie, ich bin nicht sicher, dass man einem Menschen, dessen Vater Israel hieß, so eine Menge solcher Witze in so kurzer Zeit erzählen sollte.’ Er war komplett schockiert und sagte: ‚Es tut mir leid, aber wenn Sie Rakoschka, Ratschenski oder so etwas geheißen hätten, hätte ich vielleicht vermutet, dass sie Jüdin sind, aber wenn Sie Ratz heißen?’

Als ich schon in Warschau arbeitete, traf ich einen etwas älteren Studienkollegen, und ich wusste, dass er seinen Familiennamen geändert hatte. Wir waren auf zwei verschiedenen Verhandlungsseiten, und er wusste, dass ich ihn kenne. Er gab mir die Hand und nannte seinen neuen polnischen Familiennamen. Ich hielt das nicht aus, gab ihm auch die Hand und sagte: ‚Noch immer ‚Ratz’!
Period
Location

Warsaw
Poland

Interview
Emilia Ratz
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