Tag #116986 - Interview #78308 (Susanne Zahradnik)

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In Nove Mesto nad Vahom mußte ich den gelben Stern tragen und hielt beim Gehen immer meine Tasche so vor den gelben Stern, daß er verdeckt war. Ein slowakischer Nazi brüllte mich einmal an, ich solle die Tasche sofort herunter nehmen. Als ich nach Hause kam, hatte ich Fieber und bekam Diphtherie. Wahrscheinlich war das mein Glück, weil ich nicht mehr ausgehen konnte. Und dann wurde ich notgetauft.

Meine Eltern blieben in Nove Mesto nad Vahom, ich heiratete Jan Tauber, den ich dort kennen gelernt hatte und zog mit ihm nach Pressburg in eine Untermietwohnung. Er rückte sogar in die slowakische Armee ein, denn er hatte ein Dokument, das besagte, er sei ein Mischling. Ein Christ hatte geschworen, daß er sein Vater sei. Es gab brave Menschen, denn schließlich und endlich war Nove Mesto nad Vahom ein kleiner Ort und man redete darüber. Dadurch hatte mein Mann einen offiziellen Mischlingsausweis. Und mit Geld und guten Worten habe ich dann auch einen Mischlingsausweis bekommen. Letzten Endes hat mir der Ausweis aber nicht viel genützt.

So langsam bekam ich Angst. Ich besorgte mir falsche Papiere unter dem Namen Maria Luzova und wurde Kindermädchen bei einem sehr bekannten Arzt. Zu diesem Arzt kam sogar der Innenminister Sano Mach zu Besuch. Das war schrecklich für mich, aber ich wurde nach ½ Jahr gekündigt. Dann besorgte ich mir einen anderen Ausweis auf den Namen Eva Gallova. Eines Nachts, das war 1944, kam die Gestapo in unsere Wohnung. Ich war bis zum Hals zugedeckt und habe schrecklich gezittert. Aber der Ausweis war gut und sie sind wieder weg gegangen.
Einmal sah ich eine alte Schulkollegin auf der Straße, da bin ich auf die andere Seite. Ich hatte gefärbte Haare, meine Haare waren ursprünglich rot und ich hatte sie dunkelbraun gefärbt, man erkannte mich nicht sofort.

1944 war der slowakische Partisanen-Aufstand und da wurde keine Mischehe und auch keine Mischlinge mehr geschont. Der Onkel Josef Erderly war Baumeister und zuerst geschützt, weil er wirtschaftlich wichtig war. Aber 1944 wurde auch er deportiert und ermordet.

1945 wurden wir alle zur Gestapo in Bratislava gebracht: Meine Eltern, meine Großmutter und ich. Mein Mann wurde viel später verhaftet, der war ihnen entwischt. Zu mir haben sie gesagt: "Was? Sie wollen mir einreden, daß Sie keine Jüdin sind?" Ich hatte gesagt, mein Großvater sei Christ. Ich hörte, wie sie meine Mutter fragten, wo ich sei. Sie wußte nicht, daß sie mich auch schon gefangen hatten und sie wollte es ihnen natürlich nicht sagen, da haben sie meine Mutter geschlagen. Als ich meinen Vater sah, hätte ich ihn fast nicht erkannt, er trug einen Schnurrbart und bildete sich ein, man würde dadurch nicht erkennen, daß er Jude sei. Blöd waren wir, man kann sich gar nicht vorstellen, wie blöd wir waren.
Period
Location

Slovakia

Interview
Susanne Zahradnik
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