Tag #117014 - Interview #78504 (Eva Köckeis-Stangl)

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Ab den frühen 1960er Jahren, als ich durch meinen Freund Walter begonnen hatte, Bergzusteigen, haben wir ausgedehnte Reisen gemacht, nach Afghanistan, Indien, Ladakh und Nepal. Die Idee ist irgendwie entstanden, weil wir doch beide relativ interessierte Bergsteiger waren und ich hab gefunden, mich werden‘s doch nie auf so eine vom Bergsteigerverein organisierte Sache mitnehmen, weil ich eine Frau bin und nicht mehr ganz jung, und darüber hab ich gelästert. Da sind wir gerade durch die Herrengasse gegangen und dort ist ein Buchgeschäft mit einer Straßenkarte der Türkei in der Auslage gewesen. Da hat Walter gesagt, kauf ma uns das und schau ma, wie weit das eigentlich ist, vielleicht können wir das auf eigene Faust machen. Da waren wir dann mit dem Auto, das wir gerade gehabt haben, im östlichsten Zipfel der Türkei und am Ararat.
1964 war dann diese Reise, wo ich mit dem kleinen Renault 4 CV nach Moskau gefahren bin, wo meine Tochter gerade studiert hat. Dann war die Reise nach Persien, auch mit einem kleinen Zwutschgerl von Auto. Die haben alle gestaunt, weil die Straße nach Teheran sehr schlecht war damals, und da hast Du durch Flüsse fahren müssen und bist natürlich steckengeblieben.
Aber noch vor Teheran, durch die Hitze und so, hab ich mich mit dem Walter zerstritten, er hat keinen Führerschein gehabt, und ist ausgestiegen und alleine weiter. Da ist es ihm dann sehr schlecht gegangen, eine schwere Durchfallerkrankung, und er ist dann mit einem Fernlaster zurück nach Wien. Ich bin weiter gefahren, mir ist es nur insoweit schlecht gegangen, dass das in einem mohammedanischen Land nicht so ohne ist, allein. Und mit dem Auto hab ich viel Troubles gehabt. Aber sonst war‘s schön. Naja, da hat mich sogar, auf einem Berg, ein Hirte überfallen. Bei dem Gerangel ist mir meine Brille heruntergefallen und erst hab‘ ich‘s versucht mit ein bissl Farsi, was er wahrscheinlich nicht verstanden hat, aber dann hab ich auf Deutsch einfach losgeflucht, verstehst Du? Und darauf hat er mich gelassen. Also dann bin ich ein bissl zitternd doch wieder heruntergekommen, bin dann auch noch ein einen Bach gefallen, sodass dann alles nass war….
Dann waren wir – in Wien haben wir uns wieder versöhnt – hauptsächlich in dem von Kurden bewohnten Gebiet der Türkei, wie wollten die Nordseite vom Ararat hinauf, weil wir bei der letzten Reise gesehen hatten, die ist vergletschert und das war auch noch nicht begangen.
Dort sind wir auch in der Nacht ausgeraubt worden, aber das haben wir alles wieder zurückbekommen. Da waren wir circa 6 Wochen oder so.
Und das nächste war dann Afghanistan, da waren zu viert in einem alten VW-Bus, und das hat schon eine Spur Expeditionscharakter gehabt. Da sind wir also in das Berggebiet, dass wir uns vorgenommen haben, Wakhan Korridor, da war auch ein Gipfel, der nicht erklommen war. Korridor heißt es deswegen, weil ein schmaler Streifen Afghanistan, also den Afghanen, überlassen wurde, zwischen Sowjetunion und seinerzeit Englisch dominiertem Gebiet, heute Pakistan, nicht? Da sind wir hineingefahren, mit einer Erlaubnis, also wirklich, ich schüttel im Nachhinein den Kopf, was für verrückte Sachen ich organisiert hab‘. Über Kontakte hab‘ ich die Bewilligung für dieses Gebiet beschafft, ein Schriftstück in arabischen Buchstaben, kann keiner von uns lesen, aber wir sind losgefahren. Und das war dann falsch und wir sind sehr weit gefahren und mussten aber dann wieder umdrehen. Haben einen Lastwagen mieten müssen und sind dann auf Pferde umgestiegen. Bei diesen ersten Reisen hab ich, glaub ich, den Fehler gemacht und viel zu viel Zeug mitgehabt. Sind aber auch ein bissl Berggestiegen und auf einen Gipfel.
Weil, ohne Gipfel wär‘s sehr peinlich gewesen, wurde ja doch vom österreichischen Touristenklub unterstützt, und die Gipfel sind die Legitimation. Und damals, war irgendwie mein spezielles Glück, dass das halt damals erst alles in Mode gekommen ist, da war‘s noch was Besonderes. Dann haben wir Vorträge gehalten in der Urania, lauter so Diavorträge.
Wann das genau war, ich weiß nicht, also dazwischen waren wir doch auch in Nepal. Ich komm schon durcheinander mit den Jahren.
Unser großer Traum wäre gewesen nach Bhutan, aber wir haben keine Einreise bekommen. Zum Trost haben wir dann was anderes gemacht, das ist ein Landstrich, ein Stück östlich von Kaschmir, heißt Lahul. Lahul grenzt an das jetzt viel bekanntere Ladakh, das nördlich davon ist. Lahul ist Sperrgebiet, aber wir haben eine Genehmigung bekommen, die sogar an Ort und Stelle gehalten hat.
Lahul hat mir sehr gefallen, das ist eine Gegend, die buddhistisch ist, da gibt es schon buddhistische Tempel, das hab‘ ich zum ersten Mal gesehen. Im damals noch sehr kleinen Hauptort haben wir zwei junge Frauen gesehen, in buddhistischer Nonnentracht, aber mit europäischen Rucksäcken. Waren 2 Amerikanerinnen, die konvertiert sind und in so einem Bergkloster gelebt haben und uns eingeladen haben, wir sollen hinaufkommen, das war mein erstes buddhistisches Kloster, und es war auf diese Art auch sehr schön, weil die viel erklären konnten.
Dann war die Genehmigung aus, sonst wären wir viel länger geblieben, und wir sind  mit dem Auto nach Nepal. Oh ja, das war auch sehr schön, weil es war dann später Herbst, dann ist der Monsun schon vorüber und es ist zwar sehr kalt und oben schon Schnee, aber es war sehr schön. Dort hab ich zum ersten mal so ein Tempelfest erlebt, die lamaistischen Klöster haben immer so einen Jahrestag, mit diesen wunderbaren Tänzen.
Bis Dezember waren wir in Delhi, es ist wirklich sehr schön dort, wie bei uns im Frühjahr. Dort hab ich ein Forschungsprojekt gemacht. Jetzt denk‘ ich, auch eine ziemlich blöde Angelegenheit, aber okay. Bissl schwierig war dann die Rückfahrt, weil die Reifen vom Auto schon sehr waren schlecht und die Straßen in Afghanistan zum Teil vereist. Im Zelt schlafen war auch kein reines Vergnügen, war bissl mühsam, diese Rückfahrt.
Irgendwann sind wir dann wieder nach Nepal gefahren, bergsteigen. Aber da ist das Problem, das es im Sommer eigentlich ein Blödsinn  ist, weil da Monsun, Regen ist. Die Berge sind in den Wolken, du weißt, dass sie vielleicht da wären, die Achttausender, aber sehen tust du sie nicht. Und die Flüsse sind angeschwollen und du musst oft große Umwege machen, oder, sehr heikel, angeseilt mitten durch den Fluss durchwaten. Ist oft heikliger als eine Besteigung.
Und wie wir endlich dort waren, wo wir eine Besteigung machen wollten, hat es so geschüttet, wir sind nur auf dreieinhalb Tausend oder was, und dann haben wir‘s bleiben lassen müssen.
Wie wir in Kathmandu zurück waren, hat jemand gesagt, jetzt könnten wir nach Ladakh. Hab ich gesagt: bitte, Ladakh, wo ist denn das? Und da sind wir zum ersten mal nach Ladakh, wird so September gewesen sein. Dann hab ich mich erstens in das Land verliebt und zweitens hat es den Vorteil, dass, weil das schon nördlich der Himalaya-Hauptkette ist, dass dort der Monsun nicht hinkommt. Und mohammedanisch ist es auch nicht, das ist angenehmer. Ja, und da waren wir dann ein paar Mal dort.
Ich glaub‘, im Jahr darauf, da haben wir auf dieser zweitägigen Autobusfahrt nach Leh schon wieder ein bissl Meinungsverschiedenheiten gehabt. Weil ich hab‘ gehört, dass sich da viel verändert hat, da war der Heinrich Harrer, ein schrecklicher Mensch, der hat in Ladakh die große Businesschance für sich gewittert und Direktflüge nach Leh organisiert - das war der Anfang vom Tourismuswirbel. Und wie ich das gehört hab, wollt ich nicht mehr nach Leh fahren. Es gibt ja so viel anderes zu sehen. Aber der Walter ist eher jemand, der sagt, jetzt haben wir uns das so vorgenommen, da muss es so sein. Also, sind wir wieder auseinander und ich bin allein und zu Fuß… jössassna, nicht einmal die wichtigsten Ortsnamen fallen mir mehr ein. Also, Zaskar muss eine interessante Gegend sein, Karte hab ich keine g‘scheite gehabt. Da bin ich hingegangen und von Zaskar wieder über die Hauptkette und wieder durch Lahul nach Indien. War sehr schön, auch abenteuerlich, natürlich. Mit einer Menge Sprachschwierigkeiten, aber sehr schön. Da war ich 6 oder 8 Wochen unterwegs. Und bei der Gelegenheit war ich auch das einzige Mal über sechstausend. Weil der normale Weg, der ist eh schon, der Pass, auf fünftausendzweihundert, und da war ein schöner Tag, ist ein wunderschöner Schneeberg daneben gestanden, da hab ich mir gedacht, jetzt geh ich auf den auch noch. Das war das einzige Mal, dass ich auf einem Berg über sechstausend war, fünftausend war ich öfters. Da hab ich nicht einmal Steigeisen mitgehabt. Zwei Burschen, die waren höchsten vierzehn, fünfzehn, die sind mit mir, wegen dem ganzen Zeugs. Aber nach einem Tag haben sie zuviel Angst und Heimweh gekriegt, sind wieder umgedreht, da bin ich wieder dagestanden mit dem ganzen Zeug. Da hab ich mich 2 Tage abgezerrt mit dem und dann hab ich jemanden gefunden, einen sehr netten Menschen, der hat mir geholfen.

Dann war ich noch einmal alleine, und einmal mit einer Freundin, das war schon in den Achtziger Jahren und das letzte Mal mit meinem Sohn Gustl.
Interview
Eva Köckeis-Stangl
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