Tag #117036 - Interview #78308 (Susanne Zahradnik)

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Sie brachten uns alle nach Sered, da war ein Konzentrationslager, da mußten wir schwer arbeiten. Dort waren wir vielleicht vier Wochen und dann wurden wir nach Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt waren wir die letzten 2½ Monate vor der Befreiung. Zu dieser Zeit wurden keine Gefangenen mehr aus Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und vergast. Es kamen Leute vom Roten Kreuz und haben das Lager kontrolliert. Ich hatte Glück, ich wurde Kinderbetreuerin, wir hatten sogar Leintücher. Ich habe erst nach der Befreiung von den Deportationen, über das KZ Auschwitz und die Ermordung der Juden erfahren.

Wir hatten uns sogar eingebildet, Theresienstadt sei gar nicht so schlimm gewesen. Die Russen haben uns befreit. Sie waren sehr lieb und haben uns Zuckerln [Anm. Bonbons] hingeworfen. Und dann kamen die Transporte mit den halb verhungerten Menschen aus den KZs, das war fürchterlich. Es waren Ungarn, Deutsche, Tschechoslowaken, ganz gemischt. Sie haben fast nichts erzählt, sie waren fast keine Menschen mehr. Sie wurden in Theresienstadt erst einmal betreut. Man hat uns gesagt: "Werft ihnen kein Brot zu, sie werden sich gegenseitig töten, um das Brot zu bekommen."

Meine Schwester war in England und hatte keine Nachricht von uns. Sie arbeitete als Krankenschwester und meldete sich freiwillig nach Theresienstadt, obwohl dort Flecktyphus war. Sie hatte keine Ahnung, daß wir dort waren. Sie wollte nur nach Hause und uns suchen. Wir waren aber zu dieser Zeit schon nicht mehr in Theresienstadt, wir waren schon befreit.
Meine Schwester Martha betreute in Theresienstadt all diese traurigen Gestalten. Ich sage immer, mit dem ersten Flugzeug ist der Benesch gekommen, der ehemalige Präsident der Tschechoslowakei, mit dem zweiten Flugzeug ist die Martha gekommen.
1948 kam der Kommunismus und meine Ehe mit Jan Tauber ging auseinander. Allerdings muß ich sagen, daß diese Ehe vorher auch schon nicht gut war.

Meine Schwester und meine Eltern verkauften die Villa und wohnten mit meiner Schwester in dem Zinshaus, das mein Vater 1937 für "seine Enkel" gebaut hatte. Mein Vater bekam seine Werkstatt nicht zurück, auch keine Wiedergutmachung. Er arbeitete noch einige Jahre mit anderen Graveuren in einer Werkstatt, und meine Eltern versuchten ein normales Leben zu leben. Sie fuhren in den Urlaub zum Beispiel 1948 nach Luhacovice in Mähren. Meine Großmutter Hermine Levray, geborene Kohn, starb im Jahre 1947 in Bratislava. Meine Schwester studierte in Bratislava Psychologie und arbeitete als Psychologin.
Location

Czechia

Interview
Susanne Zahradnik
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