Tag #117319 - Interview #83047 (Georg Wozasek)

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Ab der ersten Klasse Volksschule hatte ich zu Hause aber privaten Religionsunterricht, weil es zu wenige jüdische Kinder in Amstetten gab, um sie in der Schule unterrichten zu können. Ich erinnere mich an den Heinrich Fiala, der war zwei oder drei Jahre älter als ich, und an den Ludwig Surkin, der war viel älter als ich. Das ist jetzt in Linz genauso: es gibt nur wenige jüdische Kinder, und wir müssen extra einen Lehrer für sie nach Linz holen. Mein Lehrer war ein orthodoxer Mann, schwarz gekleidet, mit einem Bart. Er hieß Salomon Fried und war sehr nett. Ich glaube, er kam aus Scheibbs und war der Vorbeter in Amstetten. Mein Cousin Gerhard hat gesagt, dass er in Wieselburg von einem Salomon Fried unterrichtet wurde. Ich glaube, das wird derselbe gewesen sein. Ich bin sehr unwillig in die Religionsstunden gegangen, denn für mich war das eine fremde Welt. Mir hat das nicht gefallen, denn ich habe mich sehr integriert gefühlt mit den anderen Kindern in Amstetten, die ja christlich orientiert waren, und ich wäre lieber mit den anderen Kindern in den christlichen Religionsunterricht gegangen. Bei dem Lehrer Fried habe ich das Schma Jisrael [12] gelernt, ich habe gelernt, Hebräisch zu lesen, ohne zu verstehen, was ich lese, jüdische Geschichte und, bevor ich 13 Jahre alt wurde, Tefillin [13] anzulegen.
Interview
Georg Wozasek
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