Tag #117769 - Interview #78532 (Franziska Smolka)

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Eigentlich wollte meine Mutter Geschichte studieren, was sie aber dann aus rein praktischen Gründen nicht tat. Sie und die Großeltern waren überzeugt, dass es unmöglich sei, dass eine Jüdin in der Steiermark irgendwo Geschichte unterrichten dürfe. Sie studierte dann, sozusagen als Notlösung, Jus an der ‚Karl Franzens Universität’ und war die einzige weibliche Studentin ihres Jahrgangs an der juridischen Fakultät und eine der ersten Frauen, sie war 24 Jahre alt, die in Graz promoviert wurden. Gewiss war sie eine der ersten jüdischen Frauen überhaupt. Sie erzählte, dass es damals ein einziges Mal zu einer antisemitischen Begebenheit kam: Einmal protestierte die gesamte Grazer Studentenschaft gegen eine Maßnahme mit einer großen Versammlung in der Aula der Universität. Meine Mutter war als Schriftführerin der Vereinigung der sozialistischen Hochschülerschaft dabei. Plötzlich tönte der Ruf: ‚Hier sind Juden, Juden raus!’ Auf den Rat meines Vaters hin, ging meine Mutter zum Rektor der Universität und sagte: ‚Magnifizenz, ich bitte um ihren Schutz als Hausherrn und er sagte: ‚Fräulein Bendiner, ich bitte Sie die Universität zu verlassen, ich kann ihn nicht gewährleisten.’ Daraufhin verließ die Gruppe, der meine Mutter angehörte, die Versammlung.
Interview
Franziska Smolka