Tag #118516 - Interview #78294 (Herbert Lewin)

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Wenn ein Bürger gewusst hat, morgen ist ein jüdischer Feiertag, ist er zum Juden Lewin ins Geschäft gekommen mit einem Flascherl: 'Herr Lewin, ich kriege ein Viertel, morgen haben Sie ja zu.' An den hohen jüdischen Feiertagen hat mein Vater das Geschäft zugemacht, und wenn mein Vater mit dem Zylinder ging, dann war ein Feiertag. Die hohen Feiertage hat er gehalten. Er konnte beten, er konnte aus der Torah [7] vorlesen, denn er hatte ja eine jüdische Erziehung genossen. Meine Mama hat überhaupt nichts gewusst. Sie ist aber auch zu Rosch Haschana [8] in den Tempel gegangen. Sie saß oben mit den anderen Frauen, und eine gute Freundin saß immer neben ihr. Einmal hat meine Mutter zu der Freundin gesagt: 'Sag einmal Selma, kannst du mir zeigen, wo wir eigentlich sind?' Da hat die Selma das Bücherl von der Mama genommen, darin herum geblättert und gesagt: 'Wenn du zu Rosch Haschana das Buch von Pessach [9] nimmst, kannst du nicht finden, wo wir sind.' Also, meine Mutter hatte keine Ahnung, aber sie war eine bewusste Jüdin.
Interview
Herbert Lewin