Tag #119272 - Interview #78492 (Marianne Wallisch)

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Im Sommer 1944 nach dem Hitlerattentat, haben die ungarischen Pfeikreuzler, den Reichsverweser Horty gestürzt und ihr grausames Regime begonnen. Diese waren viel ärger und brutaler als die Deutschen vorher. Da haben dann auch die Deportationen im großen Stil begonnen. Viele wurden erst ein Mal in einer Ziegelfabrik gesammelt.

Mein Vater ist mit unseren Deutschen Pässen mit dem großen „J“ drinnen immer irgendwie durchgeschlüpft. Aber trotzdem konnten wir in dem Judenhaus nicht weiterbleiben. Ich wurde noch griechisch-orthodox getauft, weil wir geglaubt haben das könnte helfen und bei den orthodoxen ging es am einfachsten. Hat auch nicht viel genutzt.

Eine unserer Mitbewohnerinnen eine Ärztin hat uns Schwedische Schutzpässe besorgt. Und so konnten wir in ein schwedisch geschütztes Haus gehen. Dort waren wir 10 Familien in einer Drei-Zimmer-Wohnung und frühere Angestellte meines Vaters haben uns mit Essen versorgt.
Wir mussten dann in ein anderes schwedisch geschütztes Haus übersiedeln. Dort bekamen wir eine kleine Garcioniere für uns alleine, was natürlich ein Hit war.

Am Weihnachtsabend 1944 hat dann die russische Belagerung begonnen und hat bis Ende Jänner gedauert. Wir haben fast die ganzen 6 Wochen der Belagerung im Keller verbracht. Die Deutschen waren noch in Buda und die Russen in Pest. Es wurde ohne Unterlass hin und her geschossen.

Es wurden auch noch zu dieser Zeit die Bewohner ganzer Häuser von den Pfeilkreuzlern und Deutschen abtransportiert. Wir wären auch bald dran gewesen. Mein Vater war im Hof draussen gewesen und kam in den Keller hinunter und sagte uns wir sollen ganz still sein er glaubt er habe Russisch reden gehört. Das war dann irgendwann Ende Jänner der Tag der Befreiung. Wir haben erst nicht gewusst wo wir hin sollen und hatten auch nichts zu Essen. Das Rote Kreuz kam jeden Tag und hat uns mit etwas Suppe versorgt, in der ein paar Bohnen geschwommen sind. Hans Blum hat uns bereits über das Rote Kreuz suchen lassen und so dann auch Kontakt mit uns aufgenommen. Wir sind dann erst ein Mal noch zurück in unsere alte Wohnung, aber es war fast alles weg. Wir haben ja das Meiste nicht mitnehmen können und da war jetzt natürlich nichts mehr da.
Location

Hungary

Interview
Marianne Wallisch