Tag #119278 - Interview #78492 (Marianne Wallisch)

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In Wien war ich auch im Shomer Hazair (jüdische Jugendbewegung) aktiv. Es gab ja eigentlich noch gar keinen Shomer Hazair in Wien. Es war so, dass ein paar Wiener Jugendliche, wie zum Beispiel Arie Talmi, der aus Israel zurückgekehrt war, Tadek, Gyuszi Ladstein und einige polnische Shomerniks Alles ins Rollen gebracht haben. Wir haben dann ein Zimmer in der Seitenstättengasse als Vereinslokal bekommen und in der Folge wurden Hazia Kolben mit ihrem Mann Zwi als Shlichim nach Wien geschickt.

Von da an hatten wir ein organisiertes und regelmäßiges Vereinsleben. Ich wurde dann Madricha (Gruppenleiterin) der Kwuza Avoda/Lahav und war sehr engagiert. Wir fuhren auch immer wieder auf Machanot (Sommerlager) ins Reichenau/Rax Gebiet.

Mein Ausscheiden aus dem Schomer kam als ich 17 ein halb war und war mit einem sehr tragischen Ereignis verbunden.

Bei einer Bar Mizwa Feier habe ich die um zwei Jahre jüngere Eva Javor kennengelernt. Wir haben uns sehr gut verstanden und ich habe sie für den Shomer geworben. Sie war dann auch in meiner Kwuza. Hava, so nannten wir Eva beim Shomer kam aus Ungarn und konnte nur wenig Deutsch und hatte auch noch keine Freunde in Wien. Sie war sehr glücklich beim Shomer hatte sich aber allgemein in Wien nicht eingelebt. Im November 1950 hat Hava Selbstmord begangen indem sie aus dem Fenster der elterlichen Wohnung sprang. Das hat mich mit meinen 17 Jahren schwer getroffen und ich war verzweifelt und voller Selbstvorwürfe.

Ungefähr eine Woche nach Evas Tod haben mir zwei ungefähr 11 jährige Buben ein Foto von Eva gebracht und sind gleich weggelaufen. Auf dem Foto stand „Vergisst mich nicht!! Hava 3.X. 1950“. Bis heute weiß ich nicht wer mir dieses Foto geschickt hat.

In der Folge habe ich mich aus dem Shomer so ziemlich zurückgezogen. Beim Begräbnis hat Herr Kostia der neue Schaliach des Shomers in seiner Rede mich direkt wegen meines Rückzuges angegriffen, worauf ich dann überhaupt jeglichen Kontakt zum Shomer und auch zu den Shomerniks abgebrochen habe.
Period
Location

Austria

Interview
Marianne Wallisch