Tag #119479 - Interview #78302 (Hannah Fischer)

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Einmal beim Sezieren sezierten israelische Studenten an einem anderen Tisch neben uns. Plötzlich machte einer meiner sehr netten Kollegen antisemitische Bemerkungen über die Gruppe der Israelis. Ich hörte mir das eine Weile an. Als er dann behauptete, er erkenne einen Juden auf zehn Meter Entfernung, habe ich gesagt, dass ich das bezweifle und ihn gefragt: 'Hast du erkannt, dass ich Jüdin bin?' Er war sehr erstaunt! Daraufhin haben wir geredet und ich habe ihn gefragt, wie er zu solchen Auffassungen käme?

Er hat mir erzählt, sein Geschichtsprofessor habe die Schüler in die 'Rassenkunde' eingeführt. Das waren die Lehrer, die in den fünfziger Jahren noch im Schuldienst gearbeitet haben. Ich blieb mit ihm befreundet und wir haben dann natürlich über Antisemitismus und darüber, was während der Nazizeit passiert war, gesprochen. Von all dem hatte er keine Ahnung.

Das war symptomatisch für viele Österreicher damals. Es gab ja auch kaum noch Juden in Österreich. Die wenigen waren entweder unsere Genossen aus der Emigration, die überhaupt nicht religiös waren, oder einige wenige, die aus den KZ zurückgekommen waren. Die Zeit vor dem 2. Weltkrieg war schwer für die Bevölkerung und in solchen Zeiten brauchen sie einen Feind, der an allem Schuld ist. Diese Funktion erfüllten die Juden in der Nazizeit.
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Interview
Hannah Fischer