Tag #119591 - Interview #78281 (Max Tauber)

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Nicht weit von unserer Wohnung entfernt war Brachland, das einem Araber gehörte. Die jüdischen Burschen haben den Platz gereinigt, zwei Tore aufgestellt, und sie hatten einen Fußballplatz. Aus aller Herren Länder wurden Mannschaften gebildet. Da bin ich dann auch ein begeisterter Fußballspieler geworden. 1938, nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich, sind die ersten Burschen aus Wien nach Palästina geflüchtet und mit den einheimischen Burschen zusammen haben wir eine Fußballmannschaft gebildet. In dieser Zeit habe ich auch begonnen, Englisch zu lernen. Die Engländer hatten in der Nähe eine große Kaserne, und gegen das schottische Infanterieregiment haben wir Fußball gespielt.

Am Fußballplatz habe ich meinen Freund Sigi kennen gelernt. Er war ein fescher Bursch, schon damals als 15jähriger war er 1,80 Meter groß, und die Mädels sind auf ihn geflogen. Auch meine Schwester hat ein bisschen mit ihm herumgeschäkert, aber das hat ihn damals noch nicht interessiert - er war noch zu jung - er war ein Jahr jünger als ich. Seine Eltern stammten ursprünglich aus Polen, hatten in Berlin gelebt und waren völlig integriert. 1933 sind sie, nach der Machtübernahme Hitlers in Deutschland, aus Berlin geflüchtet. Sie hatten die 1000 Pfund für das Kapitalistenzertifikat, Sigis Vater war ein tüchtiger Maßschneider, der elegante Herrenanzüge herstellte. Er hatte auch in Jerusalem eine Schneiderei und verdiente, für dortige Begriffe, sehr gut.

Sigi sprach fließend hebräisch. Ich bin mit ihm ins Gespräch gekommen, und er hat gesagt: 'Hör zu, in der Lemelschule kannst du ohne jede Bezahlung am Abend Hebräisch lernen.' Ich habe gesagt:'Ich habe acht Jahre Schule hinter mir, ich will keine Schule, ich brauch keine Sprache zu lernen, lass mich in Ruhe.' Dann habe ich aber doch Hebräisch gelernt, und nach zwei Jahren habe ich mich schon sehr gut verständigen können.

Ich habe auch den Kurt Bergmann aus Wien in Jerusalem kennen gelernt. Er war als Kind an Meningitis erkrankt und dadurch war sein rechter Arm gelähmt. In Wien hatte er Philologie und Sprachwissenschaften studiert, konnte aber in Jerusalem nicht weiter studieren, weil er ja nicht Hebräisch sprach. Kurt Bergmann wurde Lebenskünstler. Er hatte kein Geld, er hatte keine Wohnung.
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Interview
Max Tauber