Tag #120425 - Interview #83000 (Herbert Wolfgang Reisner)

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Nach Geschäftsschluss sind wir herausgekommen, haben die Kommissionen zusammengesellt und haben die Ware für den nächsten Tag vorbereitet, die der jüdische Bursche mit den arischen Papieren in der Früh ausgeliefert hat. Danach hat er das Geschäft geführt und die Kunden bedient. In der Nacht haben wir auch gekocht. Wir haben von Herrn Gara alles bekommen: Wurst, Käse und Kartoffeln. Meine Mutter hat auf einem kleinen Elektrokocher Suppen gekocht. Wir hatten ein kleines Radio, da haben wir BBC gehört. So sind wir am Laufenden geblieben. Ich hatte eine große Karte von Europa und habe abgesteckt, wo die Deutschen sind, die Russen, die Engländer, die Amerikaner und die Franzosen sind.

Eines schönen Tages ist Herr Gara gekommen und hat gesagt: ‚Herr Reisner, es tut mir wahnsinnig leid. Ich kann die Renate nicht mehr behalten, weil man im Dorf schon munkelt, dass sie eine Jüdin ist.’ Da hat er sie hereingebracht. Da waren wir dann wieder zu viert. Ganz zum Schluss ist meine Tante Frieda, die Schwester meines Vaters, die mit arischen Papieren außerhalb des Bunkers gelebt hatte, auch in das Versteck gekommen, weil sie Angst hatte, dass man draufkommt, dass sie Jüdin ist. So waren wir in diesem kleinen Raum zum Schluss zu fünft.
Interview
Herbert Wolfgang Reisner
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