Mein Vater war ein sehr bewusster Österreicher, ein wirklicher Patriot im besten Sinne. Er saß oft mit meiner Schwester und mir auf dem Diwan und sang mit uns Volkslieder. Es war ihm sehr wichtig, dass wir österreichische Volkslieder lernen. Als wir nach Österreich zurückkamen, kannte ich eine Menge österreichischer Volkslieder, aber die Kinder hier konnten sie nicht, weil die in der Zwischenzeit ganz andere Dinge gelernt hatten. Er hat uns auch deutsche Kinderbücher vorgelesen.
- Traditions 11756
- Language spoken 3019
- Identity 7808
- Description of town 2440
- Education, school 8506
- Economics 8772
- Work 11672
- Love & romance 4929
- Leisure/Social life 4159
- Antisemitism 4822
-
Major events (political and historical)
4256
- Armenian genocide 2
- Doctor's Plot (1953) 178
- Soviet invasion of Poland 31
- Siege of Leningrad 86
- The Six Day War 4
- Yom Kippur War 2
- Ataturk's death 5
- Balkan Wars (1912-1913) 35
- First Soviet-Finnish War 37
- Occupation of Czechoslovakia 1938 83
- Invasion of France 9
- Molotov–Ribbentrop Pact 65
- Varlik Vergisi (Wealth Tax) 36
- First World War (1914-1918) 216
- Spanish flu (1918-1920) 14
- Latvian War of Independence (1918-1920) 4
- The Great Depression (1929-1933) 20
- Hitler comes to power (1933) 127
- 151 Hospital 1
- Fire of Thessaloniki (1917) 9
- Greek Civil War (1946-49) 12
- Thessaloniki International Trade Fair 5
- Annexation of Bukovina to Romania (1918) 7
- Annexation of Northern Bukovina to the Soviet Union (1940) 19
- The German invasion of Poland (1939) 94
- Kishinev Pogrom (1903) 7
- Romanian Annexation of Bessarabia (1918) 25
- Returning of the Hungarian rule in Transylvania (1940-1944) 43
- Soviet Occupation of Bessarabia (1940) 59
- Second Vienna Dictate 27
- Estonian war of independence 3
- Warsaw Uprising 2
- Soviet occupation of the Balitc states (1940) 147
- Austrian Civil War (1934) 9
- Anschluss (1938) 71
- Collapse of Habsburg empire 3
- Dollfuß Regime 3
- Emigration to Vienna before WWII 36
- Kolkhoz 131
- KuK - Königlich und Kaiserlich 40
- Mineriade 1
- Post War Allied occupation 7
- Waldheim affair 5
- Trianon Peace Treaty 12
- NEP 56
- Russian Revolution 351
- Ukrainian Famine 199
- The Great Terror 283
- Perestroika 233
- 22nd June 1941 468
- Molotov's radio speech 115
- Victory Day 147
- Stalin's death 365
- Khrushchev's speech at 20th Congress 148
- KGB 62
- NKVD 153
- German occupation of Hungary (18-19 March 1944) 45
- Józef Pilsudski (until 1935) 33
- 1956 revolution 84
- Prague Spring (1968) 73
- 1989 change of regime 174
- Gomulka campaign (1968) 81
-
Holocaust
9685
- Holocaust (in general) 2789
- Concentration camp / Work camp 1235
- Mass shooting operations 337
- Ghetto 1183
- Death / extermination camp 647
- Deportation 1063
- Forced labor 791
- Flight 1410
- Hiding 594
- Resistance 121
- 1941 evacuations 866
- Novemberpogrom / Kristallnacht 34
- Eleftherias Square 10
- Kasztner group 1
- Pogrom in Iasi and the Death Train 21
- Sammelwohnungen 9
- Strohmann system 11
- Struma ship 17
- Life under occupation 803
- Yellow star house 72
- Protected house 15
- Arrow Cross ("nyilasok") 42
- Danube bank shots 6
- Kindertransport 26
- Schutzpass / false papers 95
- Warsaw Ghetto Uprising (1943) 24
- Warsaw Uprising (1944) 23
- Helpers 521
- Righteous Gentiles 269
- Returning home 1090
- Holocaust compensation 112
- Restitution 109
- Property (loss of property) 595
- Loss of loved ones 1724
- Trauma 1029
- Talking about what happened 1807
- Liberation 558
- Military 3322
- Politics 2640
-
Communism
4468
- Life in the Soviet Union/under Communism (in general) 2592
- Anti-communist resistance in general 63
- Nationalization under Communism 221
- Illegal communist movements 98
- Systematic demolitions under communism 45
- Communist holidays 311
- Sentiments about the communist rule 930
- Collectivization 94
- Experiences with state police 349
- Prison/Forced labor under communist/socialist rule 449
- Lack or violation of human and citizen rights 483
- Life after the change of the regime (1989) 493
- Israel / Palestine 2190
- Zionism 847
- Jewish Organizations 1200
Displaying 21391 - 21420 of 50826 results
Franziska Smolka
Auf der Strasse in Moskau durfte die Großmutter nicht deutsch mit uns sprechen, man musste sehr vorsichtig sein. Also war die Großmutter auf der Straße stumm, denn außer Deutsch sprach sie keine andere Sprache perfekt, nur etwas slowakisch und ungarisch. Mit unseren Eltern haben wir russisch gesprochen und mit der Großmutter deutsch. Aber nicht in der Öffentlichkeit, denn das wäre vielleicht gefährlich gewesen. Mit der Mama, wenn wir mit dem Trolleybus vom Kindergarten nach Hause gefahren sind, sprach ich selbstverständlich russisch.
Ich hatte eine sehr geheimnisvolle Großmutter, eine Großmutter, die am Freitagabend Kerzen anzündete. Heute weiß ich, dass es Freitagabend war, sonst hätte ich geglaubt, irgendwann am Wochenende. Am Samstag hat sie nie gestrickt, sondern nur gelesen. Damals glaubte ich, sie liest in einem Traumbuch. Später kam ich drauf - meine Großmutter hatte wirklich ein wunderbares altes ‚Altägyptisches Traumbuch’, ich habe es von ihr bekommen als sie starb - dass sie nicht in diesem Buch gelesen hat. Sie saß mit dem Gebetbuch und betete. Da sie uns über Religion nichts sagen durfte und das Gebetbuch nicht entdeckt werden sollte, lag neben ihr das Traumbuch mit getrockneten Kleeblättern. Jedes Mal, wenn einer von uns herankam, nahm sie das Traumbuch zur Hand. Es war ein geheimnisvolles Gesicht auf der Titelseite, das ich als Kind sehr liebte.
Onkel Gustav meldete sich nach einiger Zeit freiwillig zum Tschechischen Corps der Roten Armee. Er kam strahlend zur Tante Grete, die eine kleine, sehr energische Frau war, um es ihr mitzuteilen. Tante Grete trug einen kurzen Herrenhaarschnitt, eigentlich hatte sie ein sehr knabenhaftes Aussehen. Sie sagte: ‚Das kommt überhaupt nicht in Frage, wir bleiben zusammen!’ Und es wurde erzählt, dass die Grete sich daraufhin auch für die Tschechische Brigade der Roten Armee hat werben lassen; aber nicht als Frau, sondern als Mann. Und man kam erst drauf, dass sie kein Mann ist, als sie unterwegs schwanger wurde. Das Kind überlebte nur kurze Zeit.
Aus den Erzählungen der Großmutter weiß ich, dass es der kälteste Winter war, den sie dort erlebt hat. Es waren 51 Grad unter Null, und wir fuhren in einem offenen Viehwaggon. Auf dem Boden des Viehwaggons hatte meine Mutter ihre Daunendecke, die ein Hochzeitsgeschenk war, ausgebreitet, und wir saßen darauf. Ich war erst etwas über ein Jahr alt und wurde von der Großmutter zwischen ihrem Leib und ihren Kleidern gehalten, damit ich nicht erfriere. Meine Großmutter war eine etwas dickere Frau mit einem großen Busen. Ich erinnere mich mit großem Vergnügen, wie sie das geschildert hat, und ich mir vorstellte, wie weich und warm das gewesen sein muss. Das Wertvollste, das sie mit sich führte, war ein kleiner Topf mit Schmalz. Diesen Topf hat ihr irgendjemand gestohlen, und sie hat immer wieder erzählt, wie empört sie über diese Herzlosigkeit war.
Wir kamen in Ufa, der Hauptstadt von Baschkirien, an. Ufa liegt am Ural und befindet sich noch auf der europäischen Seite. Wir schliefen mit ungefähr 200 Leuten am Boden einer aufgelassenen Druckerei. Großmutter hat immer erzählt, dass es jeden Tag ein furchtbares Geschiebe und Gedränge gegeben hat, weil der ganze Raum von einem kleinen Kanonenöferl beheizt wurde und die Frauen mit Kindern gestritten haben, wer die Nacht neben dem Ofen schlafen darf. Onkel Ernst war auch in Ufa und nach einiger Zeit stießen noch Tante Grete, die jüngste Schwester meiner Mutter, und ihr Mann Gustav zu uns.
Über Tante Grete und Onkel Gustav habe ich schon berichtet. Sie durchquerten Russland auf ihrer Flucht zu Fuß. Ihr erstes Kind Ruth wurde auf dieser Flucht, im August 1940, geboren. Sie starb kurz nach ihrem ersten Lebensjahr, und sie mussten sie im Wald begraben. Die Großmutter erzählte, die Grete ist durchgedreht. Sie ist fast verrückt geworden nach dem Tod des Kindes. Ihr größtes Anliegen war, möglichst schnell ihre große Schwester, meine Mutter, zu finden, denn die beiden hatten schon immer eine sehr enge Beziehung zueinander. So kam es auch, dass sie quer durch Russland gegangen ist, um meine Mutter zu suchen. Ich erinnere mich an Erzählungen, dass sie ohne Schuhe, mit Fetzen um ihre Füße gewickelt, im Winter ankamen und Tante Grete erfrorene Füße hatte. Gustav arbeitete dann in Ufa als Arzt im Spital. Dadurch halfen sie mit, uns zu ernähren, denn es gab nur Lebensmittelkarten. Meine Großmutter bekam als Ausländerin mit einem Touristenvisum keine Karten.
Wir kamen in Ufa, der Hauptstadt von Baschkirien, an. Ufa liegt am Ural und befindet sich noch auf der europäischen Seite. Wir schliefen mit ungefähr 200 Leuten am Boden einer aufgelassenen Druckerei. Großmutter hat immer erzählt, dass es jeden Tag ein furchtbares Geschiebe und Gedränge gegeben hat, weil der ganze Raum von einem kleinen Kanonenöferl beheizt wurde und die Frauen mit Kindern gestritten haben, wer die Nacht neben dem Ofen schlafen darf. Onkel Ernst war auch in Ufa und nach einiger Zeit stießen noch Tante Grete, die jüngste Schwester meiner Mutter, und ihr Mann Gustav zu uns.
Über Tante Grete und Onkel Gustav habe ich schon berichtet. Sie durchquerten Russland auf ihrer Flucht zu Fuß. Ihr erstes Kind Ruth wurde auf dieser Flucht, im August 1940, geboren. Sie starb kurz nach ihrem ersten Lebensjahr, und sie mussten sie im Wald begraben. Die Großmutter erzählte, die Grete ist durchgedreht. Sie ist fast verrückt geworden nach dem Tod des Kindes. Ihr größtes Anliegen war, möglichst schnell ihre große Schwester, meine Mutter, zu finden, denn die beiden hatten schon immer eine sehr enge Beziehung zueinander. So kam es auch, dass sie quer durch Russland gegangen ist, um meine Mutter zu suchen. Ich erinnere mich an Erzählungen, dass sie ohne Schuhe, mit Fetzen um ihre Füße gewickelt, im Winter ankamen und Tante Grete erfrorene Füße hatte. Gustav arbeitete dann in Ufa als Arzt im Spital. Dadurch halfen sie mit, uns zu ernähren, denn es gab nur Lebensmittelkarten. Meine Großmutter bekam als Ausländerin mit einem Touristenvisum keine Karten.
, Russia
Am 22. Juni 1941 begann der Marsch der Deutschen auf die Sowjetunion, und die sogenannte Evakuation begann. Mein Vater hat sich sehr bemüht, für meine Mutter, die Großmutter und uns Kinder einen Platz in einem Zug Richtung Osten zu bekommen, der uns in Sicherheit bringt.
Ich glaube, im Jahre 1937, als meine Schwester geboren wurde, hatte sie meine Eltern in Moskau besucht. Dadurch kannte meine Großmutter sich ein wenig aus. Auch die Großmutter Fischer hatte meine Eltern in Moskau besucht. Nun stand die Großmutter am Hafen. Sie fragte sich zum Bahnhof durch und stieg in den Zug nach Moskau. Jedes Mal, wenn der Schaffner kam, ist sie aufs Klo verschwunden. Das wurde von einem Herrn, der ihr gegenüber saß, beobachtet. Nach einer Weile sprach er sie auf jiddisch an. Zuerst wollte sie von ihm nichts wissen, denn jiddisch hat man doch nicht gesprochen. Sie hat es aber auch nicht gekonnt. Aber dann wurden sie sich handelseinig. Er gab ihr das Geld für die Bahnkarte nach Moskau, und sie versprach ihm, am Bahnhof werde ihre Tochter sie abholen, und er werde sofort das Geld zurückbekommen. Sie kamen in Moskau an, aber da war keine Tochter. Daraufhin hat sie sich den Herrn unter den Arm geklemmt und ist zu Fuß zu unserer Wohnung gegangen. Aber auch da war niemand.
, Russia
Meine Großmutter war der Meinung, sie lebe schon fünfzig Jahre in Graz und es werde ihr niemand etwas tun. Erst 1939 verließ sie Österreich. Meine Eltern hatten ein Einreisevisum für sie in die Sowjetunion besorgt und es nach London, zur Tante Anni und Tante Irma, die bereits geflohen waren, geschickt. Mit einem Touristenvisum in die Sowjetunion bekam die Großmutter ein Durchreisevisum für London.
Zehn Reichsmark durfte sie aus Österreich mitnehmen. Für ein Mittagessen in London war es zu wenig. Annie und Irma kümmerten sich in London natürlich um ihre Mutter. Sie wollte noch etwas länger in London bleiben, worüber meine Mutter sehr entrüstet war, weil sie die Verlängerung des Visums beantragen musste, und das war reichlich kompliziert. Sie hat das auch nur über Beziehungen, ich glaube über den Bulgaren Kolarow, den Chef des Agrarinstituts, der nach dem Krieg bulgarischer Präsident wurde, bekommen.
Im Juli 1939 begann die abenteuerliche Reise meiner Großmutter nach Moskau. Zuerst fuhr sie mit dem Schiff nach Leningrad. Von London hatte sie ein Telegramm an meine Eltern in der Hoffnung geschickt, dass sie sie in Leningrad abholen, denn sie hatte kein Geld. Aber als sie in Leningrad ankam, war niemand da.
Zehn Reichsmark durfte sie aus Österreich mitnehmen. Für ein Mittagessen in London war es zu wenig. Annie und Irma kümmerten sich in London natürlich um ihre Mutter. Sie wollte noch etwas länger in London bleiben, worüber meine Mutter sehr entrüstet war, weil sie die Verlängerung des Visums beantragen musste, und das war reichlich kompliziert. Sie hat das auch nur über Beziehungen, ich glaube über den Bulgaren Kolarow, den Chef des Agrarinstituts, der nach dem Krieg bulgarischer Präsident wurde, bekommen.
Im Juli 1939 begann die abenteuerliche Reise meiner Großmutter nach Moskau. Zuerst fuhr sie mit dem Schiff nach Leningrad. Von London hatte sie ein Telegramm an meine Eltern in der Hoffnung geschickt, dass sie sie in Leningrad abholen, denn sie hatte kein Geld. Aber als sie in Leningrad ankam, war niemand da.
Meine Eltern bekamen Arbeit im Agrarinstitut zugewiesen. Mein Vater arbeitete über die Agrarpolitik in Österreich und der Schweiz und meine Mutter arbeitete in der Landarbeiterabteilung über das Los der Landarbeiter in der ganzen Welt. Ihre erste Aufgabe bestand darin, eine Arbeit über die christliche Landarbeitergewerkschaft in Deutschland zu schreiben, wovon sie nicht begeistert war. Nach einem Jahr wurde sie in die Bibliothek versetzt und war für die Beschaffung neuer Bücher und Zeitschriften zuständig. Das Institut hat eine eigene Zeitschrift in russischer und deutscher Sprache herausgegeben, und es fand ein reger Briefwechsel und Austausch mit Bibliotheken und Instituten in vielen Ländern statt.
1939 wurde das Agrarinstitut geschlossen und meine Mutter bekam eine Arbeit im ‚Verlag für ausländische Literatur’.
1939 wurde das Agrarinstitut geschlossen und meine Mutter bekam eine Arbeit im ‚Verlag für ausländische Literatur’.
Onkel Fritz lernte vor dem Krieg, ich glaube im Grazer Stadtpark im Cafe, die damals
16jährige Susi kennen. Susi war eine geborene Gaspar, ihre Familie kam aus Budapest. Sie hat mit ihren Eltern in Budapest den Holocaust überlebt. Nach dem Krieg schrieb Fritz ihr einen Brief, in dem stand, er will sie heiraten, sie soll bitte kommen. Sie beendete die Matura in Budapest und fuhr nach Argentinien. Es wird die Geschichte erzählt, dass sie verspätet in Montevideo vom Schiff ging, weil sie noch eine Ping - Pong - Partie fertig spielen musste.
Fritz und Susi heirateten und bekamen drei Kinder: Clara, Lilli und Silvia.
16jährige Susi kennen. Susi war eine geborene Gaspar, ihre Familie kam aus Budapest. Sie hat mit ihren Eltern in Budapest den Holocaust überlebt. Nach dem Krieg schrieb Fritz ihr einen Brief, in dem stand, er will sie heiraten, sie soll bitte kommen. Sie beendete die Matura in Budapest und fuhr nach Argentinien. Es wird die Geschichte erzählt, dass sie verspätet in Montevideo vom Schiff ging, weil sie noch eine Ping - Pong - Partie fertig spielen musste.
Fritz und Susi heirateten und bekamen drei Kinder: Clara, Lilli und Silvia.
Sie ist mit dem nichtjüdischen Rechtsanwalt Ricardo verheiratet, lebt in Mexiko und hat einen Sohn Sebastian.
Die Familie hielt den Fritz immer für einen arbeitsfähigen, aber nicht sehr intelligenten Menschen. Vielleicht war er wirklich nicht sehr gebildet, aber er hatte Mutterwitz. Mein Onkel Franz und mein Onkel Fritz hatten, glaube ich, eine sehr gespaltene Beziehung zueinander. Franz war immerhin in die Handelsakademie gegangen und Fritz hatte nur eine Lehre beim Kolonialwarenhändler Schön gemacht. Die Kolonialwarenhandlung war in Graz am Griesplatz. Das war eine berüchtigte Gegend, denn dort lebten die unteren Schichten der Bevölkerung und dementsprechend derb war dann auch die Sprache vom Fritz. Auch äußerlich unterschieden sich die beiden Brüder: Franz war der Elegante, Fritz ein eher grobschlächtiger Mensch. Dadurch bildete Franz sich ein, er sei besser als sein kleiner Bruder Fritz. Aber Fritz war ein wirklich guter Kerl, ich habe ihn sehr geliebt. Ich habe schon erzählt, dass die beiden gemeinsam 1938 nach Argentinien geflohen sind. Fritz fasste viel früher Fuß in Argentinien als Franz. Er begann zuerst Krawatten zu verkaufen, dann stellte er fest, dass er mit Kinderkleidern Geld verdienen konnte. Er kaufte Stoff, ließ Kinderkleider anfertigen und wurde Textilkaufmann.
Ich weiß aus den Erzählungen meiner Großmutter, dass Onkel Fritz als Bub in Graz sehr gern Schinken aß, den er aber nur aus dem Papier essen durfte. Einen Teller für den Schinken hat die Großmutter nicht erlaubt.
Verheiratet ist er mit einer Chinesin.
Zuerst wurde sie von ihrem Bruder Fritz, von dem ich gleich erzählen werde, unterstützt. Dann eröffnete sie in Buenos Aires ein sehr nobles Modegeschäft mit dem Namen ‚Elegance' in der Florida Street. Damit verdiente sie genug Geld für sich und ihre Kinder und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung.
Später interessierte sie sich für Computer und arbeitet heute an der Universität Newark/ Delaware, wo sie Computerprogramme, zum Beispiel Computer Lehrprogramme für Krankenschwestern, entwickelt. Sie führt keinen traditionellen Haushalt. Irmas Sohn John studierte in Argentinien Medizin, lebte als Arzt in New York und begann wissenschaftlich zu arbeiten.
Andor fand in London kurzfristig Arbeit in einem Spital, vielleicht war das ein Stipendium, ich weiß es nicht.
Irma und Andor flohen vor dem Holocaust 1939 aus Wien nach England.
United Kingdom
Andor hatte in Wien studiert und war Arzt am Wiener ‚Allgemeinen Krankenhaus’.
Tante Irma heiratete Dr. Andor Schächter, der am 6. Mai 1900 geboren wurde.
Irma hatte in Graz die Schneiderei - und Modefachschule absolviert, war Schneiderin und Modedesignerin. Sie war eine sehr schöne Frau, lebte in Wien in einer wunderschönen Wohnung in der Gredlerstrasse im 2. Bezirk und arbeitete in dem renommierten Modehaus Schwarz, das bekannt dafür war, dass es erstmalig Jersey verarbeitete. Das Modehaus arbeitete mit der Gewerbeberechtigung meiner Tante Irma.
Beide sind verheiratet, haben Kinder und leben liberal jüdisch. Claudias Sohn war Bar Mitzwah [6], aber das Haus wurde nicht traditionell geführt.
Mit seiner zweiten Frau Irene, geborene Spanier, die vergangenes Jahr von der WIZO [5] eine große Auszeichnung bekam, weil sie während des Holocaust in Frankreich, ich glaube, dreißig jüdischen Kindern das Leben gerettet hat, hatte Franz zwei Kinder.
France
Nach dem Tod des Großvaters hat er mit im Geschäft gearbeitet. Gemeinsam mit seinem Bruder Fritz ist er 1938 vor dem Holocaust nach Argentinien geflüchtet, wo er im Obsthandel arbeitete; die ersten Granny Smith aus Argentinien hat er nach Europa geschickt.
, Argentina
Claudias Sohn war Bar Mitzwah [6], aber das Haus wurde nicht traditionell geführt.
Großmutter hat für Freitag, also für den Schabbat [Anm.: der siebte Tag der Woche, Ruhetag, höchster Feiertag des Judentums], immer zwei große Barches [Anm.: zopfartig geflochtenes Schabbatbrot] und zwölf kleine gebacken. Ich habe lange gedacht, jedes ihrer sechs Kinder bekam zwei kleine, um den Segen sagen zu können. Viel später bin ich draufgekommen, was auch meine Großmutter nicht wusste, dass das backen von zwölf kleinen Barches in rabbinischen Haushalten in Erinnerung an die Schaubrote [Anm.: Schaubrote (hebr. lechem hapanim) sind 12 ungesäuerte Brotkuchen, nach der Zahl der zwölf israelitischen Stämme. Sie wurden für jeden Schabbat bereitet] im Tempel in Jerusalem Tradition war.
Wie ich aus Unterlagen der Grazer Kultusgemeinde entnommen habe, war er einerseits Mitbegründer eines zionistischen Vereins und in dessen Vorstand tätig, andererseits weiß ich, dass er Sozialdemokrat war.
Er hat großen Wert darauf gelegt, dass meine Großmutter ein koscheres Haus führte, denn er kam aus einer rabbinischen Familie.
Er war Elektriker und heiratete Rifka.
Helmut flüchtete nach Palästina.