Letzte Postkarte von Willy Stiassny aus Birkenau
Das ist die letzte Postkarte, die mein Cousin Willy Stiassny an seine Tante aus dem Arbeitslager Birkenau geschickt hat.
Der Text:
Liebste Tante!
Innigsten Dank für Eure guten Pakete, die mir schönste Freude sind. Alle kommen an, auch unbestätigt. Mutter und ich gesund u. sind beisammen. Hoffe Euch wohl auf. Besondern Dank für Brot, Zitrone, Zwiebel, Knoblauch. ? nicht gesehn. Schreibe uns. Grüsse Tante Grete, Else, alle.
Küsse Dein
Dankbarer
Willy
Ich war das erste Mal in Ausschwitz mit einer Gruppe Touristen. Ich wollte zuerst nicht hereingehen und dann habe ich mir gedacht, meine ganze Familie hat das hier miterleben müssen, ich muss die Courage auffinden, und ich habe einen hysterischen Anfall dort bekommen. Ich habe nur geheult im Moment, wo wir durch dieses Tor gegangen sind. Ich habe mir vorgestellt, hier haben sie aufgehört Mensch zu sein. Hier haben sie Stempel bekommen auf die Hand, waren nur mehr eine Nummer. In einem der Pavillons lag ein aufgeschlagenes Buch, und auf dieser Seite waren die Geschehnisse eines Tages registriert . An dem und dem Tag sind so und so viel Leute gekommen, so und so viel Leute hat man zur Arbeit eingeteilt, die anderen sind sofort vergast worden. Man hat daraus gewonnen soundsoviele Kopfhaare, soundsoviele Körperhaare, soundsoviele Goldzähne und soundsoviele Brillen. Es waren an jenem Tag so und so viele Menschen angekommen, alle mit Namen registriert, darunter so viele Kinder; und da war auch der Name meines Cousins Wilhelm Stiassny, mit dem Vermerk, daß er noch am selben Tag in die Gaskammer geschickt wurde, denn er war erst 11 Jahre, zu klein um als Arbeitskraft am Leben zu bleiben.