Als mein Bruder endgültig nach Amerika ging, zogen wir in die Wohnung der Eltern in der Salztorgasse ein, und das war eine Beruhigung für mich. Auch der Traum verschwand – auf einmal war er weg. Ab dieser Zeit träumte ich, der Papa lebt noch, und die Mutti lebt noch.
- Traditions 11756
- Language spoken 3019
- Identity 7808
- Description of town 2440
- Education, school 8506
- Economics 8772
- Work 11672
- Love & romance 4929
- Leisure/Social life 4159
- Antisemitism 4822
-
Major events (political and historical)
4256
- Armenian genocide 2
- Doctor's Plot (1953) 178
- Soviet invasion of Poland 31
- Siege of Leningrad 86
- The Six Day War 4
- Yom Kippur War 2
- Ataturk's death 5
- Balkan Wars (1912-1913) 35
- First Soviet-Finnish War 37
- Occupation of Czechoslovakia 1938 83
- Invasion of France 9
- Molotov–Ribbentrop Pact 65
- Varlik Vergisi (Wealth Tax) 36
- First World War (1914-1918) 216
- Spanish flu (1918-1920) 14
- Latvian War of Independence (1918-1920) 4
- The Great Depression (1929-1933) 20
- Hitler comes to power (1933) 127
- 151 Hospital 1
- Fire of Thessaloniki (1917) 9
- Greek Civil War (1946-49) 12
- Thessaloniki International Trade Fair 5
- Annexation of Bukovina to Romania (1918) 7
- Annexation of Northern Bukovina to the Soviet Union (1940) 19
- The German invasion of Poland (1939) 94
- Kishinev Pogrom (1903) 7
- Romanian Annexation of Bessarabia (1918) 25
- Returning of the Hungarian rule in Transylvania (1940-1944) 43
- Soviet Occupation of Bessarabia (1940) 59
- Second Vienna Dictate 27
- Estonian war of independence 3
- Warsaw Uprising 2
- Soviet occupation of the Balitc states (1940) 147
- Austrian Civil War (1934) 9
- Anschluss (1938) 71
- Collapse of Habsburg empire 3
- Dollfuß Regime 3
- Emigration to Vienna before WWII 36
- Kolkhoz 131
- KuK - Königlich und Kaiserlich 40
- Mineriade 1
- Post War Allied occupation 7
- Waldheim affair 5
- Trianon Peace Treaty 12
- NEP 56
- Russian Revolution 351
- Ukrainian Famine 199
- The Great Terror 283
- Perestroika 233
- 22nd June 1941 468
- Molotov's radio speech 115
- Victory Day 147
- Stalin's death 365
- Khrushchev's speech at 20th Congress 148
- KGB 62
- NKVD 153
- German occupation of Hungary (18-19 March 1944) 45
- Józef Pilsudski (until 1935) 33
- 1956 revolution 84
- Prague Spring (1968) 73
- 1989 change of regime 174
- Gomulka campaign (1968) 81
-
Holocaust
9685
- Holocaust (in general) 2789
- Concentration camp / Work camp 1235
- Mass shooting operations 337
- Ghetto 1183
- Death / extermination camp 647
- Deportation 1063
- Forced labor 791
- Flight 1410
- Hiding 594
- Resistance 121
- 1941 evacuations 866
- Novemberpogrom / Kristallnacht 34
- Eleftherias Square 10
- Kasztner group 1
- Pogrom in Iasi and the Death Train 21
- Sammelwohnungen 9
- Strohmann system 11
- Struma ship 17
- Life under occupation 803
- Yellow star house 72
- Protected house 15
- Arrow Cross ("nyilasok") 42
- Danube bank shots 6
- Kindertransport 26
- Schutzpass / false papers 95
- Warsaw Ghetto Uprising (1943) 24
- Warsaw Uprising (1944) 23
- Helpers 521
- Righteous Gentiles 269
- Returning home 1090
- Holocaust compensation 112
- Restitution 109
- Property (loss of property) 595
- Loss of loved ones 1724
- Trauma 1029
- Talking about what happened 1807
- Liberation 558
- Military 3322
- Politics 2640
-
Communism
4468
- Life in the Soviet Union/under Communism (in general) 2592
- Anti-communist resistance in general 63
- Nationalization under Communism 221
- Illegal communist movements 98
- Systematic demolitions under communism 45
- Communist holidays 311
- Sentiments about the communist rule 930
- Collectivization 94
- Experiences with state police 349
- Prison/Forced labor under communist/socialist rule 449
- Lack or violation of human and citizen rights 483
- Life after the change of the regime (1989) 493
- Israel / Palestine 2190
- Zionism 847
- Jewish Organizations 1200
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Edith Brickell
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Meine Brüder und mein Mann arbeiteten alle zusammen in der Firma meines Vaters, ‚B. Teller‘.
Zuerst haben wir zu viert in einem Zimmer in einer Pension gewohnt. Dann bekamen wir durch Zufall eine kleine Wohnung in der Servitengasse, und dort blieben wir, bis wir eine sehr schöne Wohnung in Hietzing, in einer sehr guten Gegend, fanden.
Das war in einer Villa, wir waren sozusagen in der Belle Etage. Unten waren zwei kleine Wohnungen, und die Frau, die in der unteren Wohnung wohnte, ist einmal die Köchin der Katharina Schratt [24] gewesen. Der Zins war sehr hoch für die damaligen Verhältnisse. Die Frau, der das Haus gehört hatte, war eine Nazi.
Das war in einer Villa, wir waren sozusagen in der Belle Etage. Unten waren zwei kleine Wohnungen, und die Frau, die in der unteren Wohnung wohnte, ist einmal die Köchin der Katharina Schratt [24] gewesen. Der Zins war sehr hoch für die damaligen Verhältnisse. Die Frau, der das Haus gehört hatte, war eine Nazi.
1950 war ich das erste Mal nach dem Krieg in Wien. Ich fuhr mit meinen Kindern und mit der Schwester meines Mannes und deren Kindern. Zu dieser Zeit hatten wir die Firma meines Vaters noch nicht zurückbekommen. 1952 war ich noch einmal in Wien.
1956 fuhr ich mit meinem Mann und den Kindern auf dem israelischen Schiff ‚SS Israel’, das – ebenso wie das Schiff ‚SS Zion’ – Teil der Wiedergutmachung Deutschlands an Israel war, nach Europa, weil mein Mann sich Wien und die Firma auch einmal anschauen wollte. Der Kapitän hieß Locker und war ein Neffe von Tante Josefine.
1956 fuhr ich mit meinem Mann und den Kindern auf dem israelischen Schiff ‚SS Israel’, das – ebenso wie das Schiff ‚SS Zion’ – Teil der Wiedergutmachung Deutschlands an Israel war, nach Europa, weil mein Mann sich Wien und die Firma auch einmal anschauen wollte. Der Kapitän hieß Locker und war ein Neffe von Tante Josefine.
Mein älterer Bruder rüstete in Amerika ab und kam mit seiner Familie 1954 nach Wien. Sein Sohn David war damals noch sehr klein. In Wien wohnte er mit seiner Familie in Grinzing. Die Kinder gingen in die amerikanische Schule. Er war zu einem gewissen Grad noch fromm. Sie waren nicht koscher, aber sie aßen kein Schweinefleisch und auch fleischiges und milchiges nicht zusammen. Aber ich glaube nicht, dass er zweierlei Geschirr und zweierlei Besteck hatte.
Mein Bruder Friedl rüstete in Wien ab und arbeitete als Civilian [Zivilist] bei den Amerikanern, weil er die deutsche Sprache beherrschte. Er leitete in Wien sofort die Wiederrückstellung unseres arisierten Eigentums ein. Friedl arbeitete in Wien beim Joint [23], kam dann nach Amerika, wohnte bei uns, was mich sehr freute, und beendete an der Columbia University sein Philosophiestudium.
Danach ging er nach Wien. Dort lernte er im Tempel seine Frau Edna Lichtenstein kennen. Sie war eine geborene Amerikanerin, deren Eltern schon Amerikaner waren. Sie ist aus einer ganz assimilierten Familie, aber sie lernte alles, was eine gläubige Jüdin wissen muss, und macht alles mit. Sie war Krankenschwester in der US-Armee. Sie heirateten, mussten aber zurück nach Amerika.
Sie durfte nämlich nicht abrüsten, weil sie keine Kinder hatte. Sie wurde aber sofort schwanger, und dann kamen sie zurück nach Wien. Der Ariseur, der die Firma meines Vaters übernommen hatte, hatte auch die Wohnung übernommen.
Er flüchtete nach Salzburg, und mein Bruder zog mit seiner Frau in unsere Wohnung in der Salztorgasse. Ihre Kinder Hanoch und Barbara wurden in Wien geboren. Mein Bruder übernahm die Firma meines Vaters, weil er der erste von uns Geschwistern in Wien war.
Danach ging er nach Wien. Dort lernte er im Tempel seine Frau Edna Lichtenstein kennen. Sie war eine geborene Amerikanerin, deren Eltern schon Amerikaner waren. Sie ist aus einer ganz assimilierten Familie, aber sie lernte alles, was eine gläubige Jüdin wissen muss, und macht alles mit. Sie war Krankenschwester in der US-Armee. Sie heirateten, mussten aber zurück nach Amerika.
Sie durfte nämlich nicht abrüsten, weil sie keine Kinder hatte. Sie wurde aber sofort schwanger, und dann kamen sie zurück nach Wien. Der Ariseur, der die Firma meines Vaters übernommen hatte, hatte auch die Wohnung übernommen.
Er flüchtete nach Salzburg, und mein Bruder zog mit seiner Frau in unsere Wohnung in der Salztorgasse. Ihre Kinder Hanoch und Barbara wurden in Wien geboren. Mein Bruder übernahm die Firma meines Vaters, weil er der erste von uns Geschwistern in Wien war.
Ich weiß nicht, wann wir über den Tod meiner Eltern erfahren haben [Bernhard und Berta Teller wurden am 14. September 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und am 18. September 1942 ermordet. Quelle: DÖW Datenbank]. Es gibt gewisse Sachen, die ich wahrscheinlich verdrängt habe.
Meine Cousine Lucie hatte bis zu ihrer Deportation aus Wien mit meinen Eltern in unserer Wohnung gelebt und mir folgendes erzählt: Meine Eltern sollten nach Theresienstadt deportiert werden. Sie bestachen einen SS-Mann und durften in Wien bleiben. Aber später wurden sie direkt nach Polen ins Gas geschickt. So war die Geschichte.
Meine Cousine Lucie hatte bis zu ihrer Deportation aus Wien mit meinen Eltern in unserer Wohnung gelebt und mir folgendes erzählt: Meine Eltern sollten nach Theresienstadt deportiert werden. Sie bestachen einen SS-Mann und durften in Wien bleiben. Aber später wurden sie direkt nach Polen ins Gas geschickt. So war die Geschichte.
Brandy ist mit einer Japanerin verheiratet und hat Zwillingstöchter, und David hat einen Sohn Bernard, nach meinem Vater benannt. Er ist mit einer Puertoricanerin verheiratet. Sie sind jüdisch, und die Kinder werden jüdisch erzogen. Bernard wird Bar Mitzwa machen.
Zum Essen waren wir immer zu meinen Schwiegereltern eingeladen. Auch meine Schwiegermutter führte einen koscheren Haushalt.
Die finanzielle Situation der Menschen in dieser Zeit war sehr schlecht. Jack hatte studiert und studierte später noch auf der Kunstakademie, wo er seine zukünftige Frau Estelle kennen lernte.
Doch zunächst war er Billeteur, denn das war der Job, den er fand. Wir konnten deshalb umsonst ins beste Kino gehen, das war positiv an seinem Job. Jack und Estelle bekamen einen Sohn namens Steve. Nach dem Krieg besaß Jack eine sehr gute und große Möbelfirma en gros.
Doch zunächst war er Billeteur, denn das war der Job, den er fand. Wir konnten deshalb umsonst ins beste Kino gehen, das war positiv an seinem Job. Jack und Estelle bekamen einen Sohn namens Steve. Nach dem Krieg besaß Jack eine sehr gute und große Möbelfirma en gros.
Als wir heirateten, musste man dem Rabbiner 15 Dollar zahlen. Ich hatte die 15 Dollar nicht, die bezahlte mein Mann für mich.
Ich stand sozusagen auf der Straße, und da bot meine zukünftige Schwiegermutter mir an, zu ihr zu kommen, was ich sofort tat. Im Sommer 1943, als mein Mann und ich heirateten, war er schon beim Militär.
Die Frau sagte, dass ich auch alt genug sei, um arbeiten zu gehen, wenn ich schon alt genug bin, um einen Freund zu haben. So musste ich nach zwei Jahren mit dem Studium aufhören. Ich arbeitete in einem Büro und besuchte ein Abend-College. Im Sommer fuhren wieder alle weg, und obwohl ich eigentlich eine große Hilfe für die Familie war, wurde mir gesagt, sie würden das Haus nicht für mich offen halten.
Im Camp lernte ich meinen Mann Theodore – jüdisch Tunchen – Brickell kennen. Er wurde am 24. Oktober 1918 in New York geboren und hatte Welthandel studiert, war schon promoviert, hatte aber noch keinen fixen Job und deshalb einen Sommerjob angenommen. Er arbeitete im Büro des Camps. Als ich ihn das erste Mal sah, saß er auf einem Baum und montierte eine Antenne für ein Radio. Er gefiel mir sofort.
Die Familie meines Mannes wohnte nicht sehr weit vom Haus der Verwandten, bei denen ich wohnte. Gleich nachdem wir uns im Camp kennen gelernt hatten, gingen wir miteinander aus. Teddy begann als Prokurist zu arbeiten. Ich beendete die Schule und begann zu studieren.
Die Familie meines Mannes wohnte nicht sehr weit vom Haus der Verwandten, bei denen ich wohnte. Gleich nachdem wir uns im Camp kennen gelernt hatten, gingen wir miteinander aus. Teddy begann als Prokurist zu arbeiten. Ich beendete die Schule und begann zu studieren.
Ich beendete das Schuljahr, musste aber im Sommer arbeiten – das ist dort normal. Die Familie, bei der ich war, war im Sommer nicht in New York. Die Kinder waren im Camp, und die Erwachsenen waren auch nicht da. Den ersten Sommer verbrachte ich als Au-pair-Mädchen bei einer Arztfamilie. Die hatten zwei Kinder im Camp, und das dritte war noch zu Hause. Ich beaufsichtigte das kleinere Kind und auch die Kinder im Camp. Die Eltern kamen nur an den Wochenenden.
Die Familie, bei der ich lebte, war religiös und führte einen koscheren Haushalt. Der Vater war Präsident der Synagoge, und die Kinder gingen in die Sunday School – das ist dort üblich. Ob katholisch, protestantisch oder jüdisch, alle machen das: Am Sonntag geht man in die Sunday School.
Das jüdische Leben in Amerika war dem ähnlich, das ich aus Wien kannte. Freitagabend wurde der Schabbat gefeiert; aber in Wien wurden die Regeln mehr beachtet als in New York. Als ich das erste Mal am Samstag, am Schabbat also, mit der U-Bahn fuhr, glaubte ich, es müsse ein großes Unglück geben.
Das war für mich furchtbar, die fuhren einfach am Samstag. Man fuhr sogar mit dem Auto zum Tempel. Das gab es in Wien nicht. Jetzt mach ich das auch, aber damals? Ich hatte große Angst und war sicher, mir würde irgendetwas Schreckliches zustoßen.
Das jüdische Leben in Amerika war dem ähnlich, das ich aus Wien kannte. Freitagabend wurde der Schabbat gefeiert; aber in Wien wurden die Regeln mehr beachtet als in New York. Als ich das erste Mal am Samstag, am Schabbat also, mit der U-Bahn fuhr, glaubte ich, es müsse ein großes Unglück geben.
Das war für mich furchtbar, die fuhren einfach am Samstag. Man fuhr sogar mit dem Auto zum Tempel. Das gab es in Wien nicht. Jetzt mach ich das auch, aber damals? Ich hatte große Angst und war sicher, mir würde irgendetwas Schreckliches zustoßen.
Ich kam in die High School, ich glaube, in der Schule lernten 14.000 Schüler – entweder 7.000 oder 14.000 – und sie schauten für mich alle gleich aus. Ich war in Wien in der 5. Klasse, und wir durften noch keinen Lippenstift tragen. In der High School hatten sie alle das gleiche Make-up, die gleichen Frisuren und die gleiche Kleidung, alle waren gleich. Und alle trugen ‚Saddle-Shoes‘ und ‚Bobby-Sox‘ [weiße Socken], auch im Winter.
Ich war sehr glücklich, als ich auch diese Schuhe und Socken bekam. Leo Amster unterrichtete in der Schule, in die ich ging. Er half mir und meinem Bruder Friedl, indem er uns den Lehrern vorstellte und unsere Geschichte erzählte. Die Lehrer waren alle sehr nett zu uns, und im Jänner absolvierte ich schon die ersten Prüfungen.
Ich war sehr glücklich, als ich auch diese Schuhe und Socken bekam. Leo Amster unterrichtete in der Schule, in die ich ging. Er half mir und meinem Bruder Friedl, indem er uns den Lehrern vorstellte und unsere Geschichte erzählte. Die Lehrer waren alle sehr nett zu uns, und im Jänner absolvierte ich schon die ersten Prüfungen.
Ich beherrschte die englische Sprache nicht, obwohl mein Vater darin perfekt war und das letzte Jahr vor unserer Abfahrt versucht hatte, uns Englisch beizubringen. Die wichtigste Sprache damals in der Schule in Wien war Französisch, und Latein hatte ich auch gelernt. Ich kam also in Amerika an und konnte kein Englisch. Die Familie, bei der ich wohnte, sprach nur Englisch mit mir, und das war eine Situation von ‚sink or swim’ [Englisch: jemandem seinem Schicksal überlassen’].
Der letzte Donnerstag im November ist American Thanksgiving, das Erntedankfest. Und da gingen wir in den Tempel. Thanksgiving ist dort ein Feiertag für alle, und das beeindruckte mich sehr.
Gustl kam zu der Zahnarztfamilie und arbeitete in einer Konfektionsfirma, denn das hatte er ja in Michelbeuern gelernt. Dort arbeitete er, bis er zum Militär eingezogen wurde. Friedl kam zu dem Mittelschulprofessor, und ich kam zu der Rechtsanwaltsfamilie, weil diese Familie drei Töchter hatte.
Die älteste Tochter war sechs Jahre jünger als ich, und ich wurde das Au-pair-Mädchen. Die Familie wohnte in einer Villa. In dem ganzen Viertel gab es nur niedrige Häuser. Die hohen Häuser kannte ich schon aus amerikanischen Filmen, und die beeindruckten mich nicht, sondern etwas ganz anderes: vor den Obst- und Gemüsegeschäften waren die Orangen und die Äpfel aufgestapelt. In Wien war das Essen damals schon knapp. Wir hungerten nicht, aber ein Apfel wurde halbiert, und zwei aßen ihn.
Die älteste Tochter war sechs Jahre jünger als ich, und ich wurde das Au-pair-Mädchen. Die Familie wohnte in einer Villa. In dem ganzen Viertel gab es nur niedrige Häuser. Die hohen Häuser kannte ich schon aus amerikanischen Filmen, und die beeindruckten mich nicht, sondern etwas ganz anderes: vor den Obst- und Gemüsegeschäften waren die Orangen und die Äpfel aufgestapelt. In Wien war das Essen damals schon knapp. Wir hungerten nicht, aber ein Apfel wurde halbiert, und zwei aßen ihn.
Mein jüngerer Bruder Friedl und ich emigrierten im November 1939. Ich denke oft, wie konnte ich so einfach wegfahren? Wir fuhren auf einem italienischen Schiff mit dem Namen ‚Rex’ nach Amerika und kamen an einem Donnerstag in New York an. Am Montag danach ging ich schon in die Schule.
Bis zu meiner Flucht aus Österreich besuchte ich diverse Umschulungskurse. Meine Eltern schickten mich zu einer Schneiderin, die für uns als Heimarbeiterin gearbeitet hatte. Ich lernte Zuschneiderei und Nähen. Auch die Kultusgemeinde organisierte viele Kurse, ich lernte Handschuhe nähen und Kunstblumen machen. Lauter solche Sachen musste ich lernen.
Die Mutter meines Großvaters war eine geborene Trauner. Ein Teil dieser Familie Trauner emigrierte Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika. Ein Nachkomme dieser Familie heiratete einen Herrn Katz. Als meine Eltern 1938 um Hilfe baten, bekamen wir sofort Affidavits [21], die lebensrettenden Papiere, geschickt. Gustl wurde aufgrund dieser Papiere nach zehn Tagen aus dem KZ-Dachau entlassen.
Meine Mutter, glaube ich, wäre nicht ohne ihre Mutter aus Wien weggegangen. Aber meine Eltern wollten, dass ich und meine Brüder erst einmal wegfahren. Wenn alles wieder in Ordnung wäre, sollten wir zurückkommen.
Die Firma meines Vaters wurde 1938 sofort arisiert, und ich durfte nicht mehr in die Schule gehen. Am 10. November 1938 nach dem Pogrom wurden mein Vater und mein Bruder Gustl verhaftet. Meinen Vater brachte man in die Kenyongasse in eine Schule, und als er nach einer Nacht nach Hause kam, waren seine Haare schneeweiß. Gustl wurde nach Dachau deportiert.
Bis mein Vater das Haus kaufte, wohnte die Familie des Hausbesorgers nur in einer Kammer. Da musste man neben dem Aufzug ein paar Stiegen hinuntergehen, und da lebten Vater, Mutter und Kind. Das muss fürchterlich gewesen sein.
Als mein Vater Hausbesitzer wurde, gab er der Familie eine kleine Wohnung, die im Vorderhaus frei geworden war. Das war ein riesengroßes Zimmer mit einem Fenster. Der Hausbesorger unternahm dann 1938 nichts für uns, aber er tat auch nichts gegen uns. Er fürchtete sich vor dem eigenen Sohn, der war 14 Jahre alt und ein stolzes Mitglied der Hitlerjugend [20]. Es hatte doch Jeder vor Jedem Angst.
Als mein Vater Hausbesitzer wurde, gab er der Familie eine kleine Wohnung, die im Vorderhaus frei geworden war. Das war ein riesengroßes Zimmer mit einem Fenster. Der Hausbesorger unternahm dann 1938 nichts für uns, aber er tat auch nichts gegen uns. Er fürchtete sich vor dem eigenen Sohn, der war 14 Jahre alt und ein stolzes Mitglied der Hitlerjugend [20]. Es hatte doch Jeder vor Jedem Angst.
1938 sagte meine Mutter, wenn sie die Möglichkeit hätte, würde sie nicht nach Amerika, sondern lieber nach Kanada auswandern. Das ist schon merkwürdig, jetzt lebt mein Sohn Barrett in Kanada.
Gustl war nur noch ein Jahr nach der Matura in Wien. Er studierte auf der Hochschule für Welthandel, musste aber auch in Michelbeuern auf die Fachschule für Schneiderei gehen. Das war meinem Vater wegen der Firma sehr wichtig.
Als Dollfuß [18] Bundeskanzler wurde, sagte man, man werde ‚sich arrangieren‘. Da war Onkel Hans, der Prokurist im Geschäft meines Vaters, Vertreter der Vaterländischen Front [19] in der Firma. Er hatte einen grauen Anzug mit grünem Lampas [Generalstreifen] bekommen. Man konnte sich nicht vorstellen, was passieren würde, sonst wären meine Eltern auch weg. Wenn sie es nur geahnt hätten! Mein Vater war Sozialdemokrat, die meisten Juden waren Sozialdemokraten oder Kommunisten.
Meine Eltern suchten seit dem Moment, als ich auf die Welt gekommen war, eine größere Wohnung. Es herrschte eine schreckliche Wohnungsnot damals. 1934 verkaufte mein Vater das Haus in der Wolfsaugasse und kaufte ein Haus im 1. Bezirk in der Salztorgasse, in dem wir in die Hausherren-Wohnung, die frei war, zogen. Das war eine schöne große Wohnung. Wir übersiedelten, und die Firma meines Vaters übersiedelte auch, die war dann unten im 1. Stock im Haus in der Salztorgasse.