Tag #115153 - Interview #78542 (Edith Landesmann)

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Im Jugendbund Gordonia wurden wir weiter zionistisch-sozialistisch indoktriniert, und so kam es selbstverständlich, als der Krieg immer näher an unsere Grenzen kam, es war die Schlacht um El-Alamein, dass unsere Jungens sich freiwillig zum englischen Militär meldeten. Später gründeten sie auch eine eigene Jüdische Brigade . Diese wurde von den Engländern "Two Shilling Trouble Makers" genannt, weil sie darauf bestanden, auf ihrem Emblem, welches dem englischen Shilling ähnlich sah, auch die Buchstaben Alef- Jud, die Initialen Eretz Israels, zu haben. Auch wir Mädchen wollten etwas zum Kriegseinsatz beitragen. Da wir aber zu jung waren, um zum Militär zu gehen, wollten wir wenigstens im Lande etwas Nützliches machen. So entschlossen wir uns, einen neuen Kibbuz zu gründen.

Meine Gruppe in der Gordonia ging im Sommer 1942 auf Sommerlager in die Kwutzah Ramat-David und wollte auch gleich dort zur Hachschara bleiben. Nach langen Debatten mit meinen Eltern durfte ich auf drei Wochen mitfahren. Von dort schrieb ich dann, dass ich mich entschlossen habe, mit zur Hachschara zu gehen, da ich auch weiter in einer Kwutzah leben wollte. Es war nicht nur das Bedürfnis, etwas für den Kriegseinsatz zu tun. Ich glaubte an das Ideal, das im Kibbuzleben verwirklicht wurde. Alle sollten nach ihren Kräften zum allgemeinen Wohl beitragen und alles für ihre Bedürfnisse Notwendige bekommen. Das Leben in der Kwutzah war mehr als "spartanisch", doch ich wollte aus Idealismus gerne alles auf mich nehmen! Als meine Eltern meinen Brief erhielten, kam meine Mutter per Taxi (das war damals ein unglaublicher Luxus), um mich und meine Freundin Ruth Ehrlich abzuholen! Meine Mutter fing an, meine spärlichen Sachen einzupacken, denn sie sagte, wenn ich da bliebe, wäre ich für sie gestorben, und ein Kind begrabe man nackt. Heute verstehe  ich meine Eltern und welches Leid ich ihnen angetan habe, doch damals war ich von meinem Ideal überzeugt! Im Nebenraum waren alle unsere Freunde versammelt und rieten uns, stark zu bleiben und nicht nachzugeben! Als meine Mutter sah, dass es nichts nütze, meine Sachen mitzu- nehmen, sagte sie, ich solle wenigstens auf 14 Tage nach Hause kommen, damit sie auf Urlaub gehen könne. Sie war, seit wir in Palästina waren, noch nie auf Urlaub, und so konnte ich ihr diese Bitte nicht abschlagen! Natürlich ging meine Mutter nicht auf Urlaub. Der Sommer ging zu Ende, und mein Vater drängte darauf, ich solle etwas tun. Entweder Lernen oder Arbeiten. Da ich mich weigerte, weil ich doch wieder in die Kwutzah zurückwollte, bekam ich meine letzte Ohrfeige von meinem Vater. Ich wurde nicht mehr seit meiner Kindheit geschlagen, und dann nur, weil ich nicht essen wollte und damit meine Mutter zum Wahnsinn gebracht habe! Ich ging also zu einer Schneiderin und bekam eine Arbeit. Als zwei Wochen vergingen, heckten meine Freundin und ich einen neuen Plan aus, wie wir doch zu unseren Kameraden kommen könnten.
Interview
Edith Landesmann