Tag #115390 - Interview #78504 (Eva Köckeis-Stangl)

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Und dann war bald das Jahr 1933 da, wo Hitler in Deutschland schon an die Macht gekommen ist und jüdische Intellektuelle emigriert sind und unter anderem auch nach Wien geflüchtet sind – und auch solche Menschen sind zu uns auf Besuch gekommen. Aber mein Vater hat immer gemeint, in Wien ist das ganz unmöglich, in Wien sind die Juden ein so wesentlicher Teil des wirtschaftlichen  und kulturellen Lebens, das ist ganz unmöglich, die auszuschalten. Ja, allerdings, wie dann die Nazis in Österreich einmarschiert sind, sind sie binnen kurzem, schon nach wenigen Tagen, bei uns in der Wohnung aufgetaucht. Es wurde eine Hausdurchsuchung gemacht, vieles kaputtgeschlagen, mit der Brutalität und Niedertracht, genau derselben, die die Nazis woanders angewendet haben und Otto wurde verhaftet. Die Nazis haben in Otto keinen politischen Gegner gesehen, sondern vor allem einen wohlhabenden Juden, den man dazu zwingen muss, oder den sie durch die Haft dazu gezwungen haben, alle seine Besitztümer den Nazis zu schenken.
Ich bin damals schon, in den Jahren davor, geheim zu einer Jugendgruppe gegangen, die hat sich „Jung Urania“ genannt und später unter dem Deckmantel, dass wir ‚Pfadfinder‘ sind, waren vielleicht 20 Leute, zweimal die Woche. Wir waren kommunistisch. Und zu links-sein hat dazugehört, sich für Psychoanalyse zu interessieren und meine Freundin hat da so Originalschriften von Freud mitgebracht. Was wir als 13-jährige davon verstanden haben, frag‘ ich mich. Sicher hab ich das kommunistische Manifest in einer Gruppensituation gelesen, aber es war außerordentlich schwierig, solche Schriften aufzutreiben. Und in den allerletzten Monaten in Wien, wie der Otto schon eingesperrt war, bin ich zu denen gegangen und hab‘ gesagt: So, jetzt ist mein Vater im Häfn, jetzt kann ich machen was ich will. Und da haben‘s mich in den Kommunistischen Jugendverband aufgenommen, das war eine Gruppe, die war mehr proletarisch.
Die sind immer zu Fuß gegangen, und da sind wir einmal zu Fuß zum Peilstein gegangen, ein ganz schöner Hatscher, und haben dort in einer Höhle geschlafen, war meine erste Begegnung mit Bergsteigen. Hat sich sehr gehalten.
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Interview
Eva Köckeis-Stangl