Tag #116505 - Interview #78523 (Vera Stulberger)

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Als wir aus dem Waggon stiegen, mussten wir an Mengele vorbeimarschieren. Der eine musste nach rechts, der andere nach links. Wer nach links musste, dem hat man die Haare gar nicht geschnitten, denn der ging sofort ins Gas. Dann wurden wir in einen riesengroßen Raum gebracht, da waren Männer in Gefangenengewand, man musste sich ganz ausziehen, alle zogen alles aus, nur wer eine Brille hatte, der durfte diese anhalten, und die Schuhe trugen wir in der Hand. Und dann wurde uns der Kopf rasiert und alles entfernt. Man brachte uns in einen Raum mit Dusche. Freilich ist keiner soweit gekommen, dass er sich hätte normal waschen können, kaum hat man sich eingeseift, wurde der Hahn abgedreht, und man musste weitergehen. Wir mussten die Hände hochhalten, und es kam ein SS Scherge mit so einem pumpenartigen Ding, mit dem früher Insekten bekämpft wurden, und er hat uns desinfiziert. Dann ging man weiter und bekam ein Kleidungsstück in die Hand gedrückt, und ich bekam eine Männerunterhose und ein bordeauxfarbenes Kleid, das mir zu lang war. Ich schnitt davon ein Stück ab, und das Stück band ich mir um den Kopf. Denn in Auschwitz war das Wetter so, dass es morgens, wenn wir Zählappell stehen mussten, so kalt war, dass man fast erfror, und wenn die Sonne herauskam, hat man sich einen Sonnenbrand geholt, wenn man keinen Schatten fand. Deshalb war das lange Kleid gut, denn ich habe mir wenigstens das, was ich davon abgeschnitten habe, um den Kopf wickeln können.

Ich war sechs Wochen lang in Auschwitz im C Lager, das war das Vernichtungslager. Das war das allerschlimmste, denn es gab nicht einmal eine Lagerstätte. In den anderen Baracken gab es wenigstens Etagenbetten aus Holz mit Strohmatten. Aber hier gab es nichts. Wir lagen aneinander wie die Sardinen in der Dose. Lag jemand auf dem Rücken, und ein anderer fand sich keinen Platz, da sagte man, dass es da noch einen Platz gibt. Drehte sich einer um, dann musste sich auch der andere neben ihm umdrehen. Wir lagen auf der Seite mit den Schuhen unterm Kopf. Es gab kein Wasser, nur einen Behälter, der von einem Tankwagen aufgefüllt wurde, denn eine Wasserleitung gab es im ganzen Lager nicht. Da ließ der Wassertanker das Wasser in den Behälter, und man konnte davon trinken. Wir konnten uns nur dann waschen, wenn es geregnet hatte und das Wasser von der Erde nicht eingesaugt wurde. Meine Füße waren so verstaubt, dass die Finger ganz weiß wurden, wenn ich den Fuß berührt habe.

Dann, nach sechs Wochen, kam wieder eine Sortierung, dann kam ich ins Sudetenland, das ist jetzt in Tschechien.
Period
Location

Poland

Interview
Vera Stulberger