Tag #116507 - Interview #78523 (Vera Stulberger)

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Dann, nach sechs Wochen, kam wieder eine Sortierung, dann kam ich ins Sudetenland, das ist jetzt in Tschechien. Wir wohnten in Parschnitz in einem alten Fabrikgebäude, und wir fuhren mit dem Zug in die nächste Kleinstadt, Trautenau, zur Arbeit. Wir fuhren jeden Morgen mit dem Zug hin und jeden Abend zurück. Wir arbeiteten in einer Fabrik der AEG und stellten Flugzeugteile her. Es gab verschiedene Räume, da mussten wir arbeiten. Im Lager bekamen wir morgens ein Stück Brot, in der Fabrik um neun Uhr einen Kaffee – das heißt eine Tasse schwarzes Wasser. Dann bekamen wir im Lager wieder einen Eintopf, da war alles mitgekocht, oder man gab uns drei Stück Kartoffeln und irgendeine Soße im Napf, das war das Abendessen. Man ist gerade nicht verhungert, aber die Leute waren so abgemagert, dass man ihre Rippen sehen konnte. Dort wurde ich befreit, leider von den Russen und nicht von den Amerikanern. Dann kamen wir aus dem Lager, und man nahm uns in einem Mansardenzimmer auf, nur um zu zeigen, was für brave Menschen das sind, die Juden zu sich nehmen. Einmal ist es zum Beispiel passiert, dass ein russischer Soldat zu diesen Leuten kam, und diese ließen meine Tante ins Zimmer kommen, um zu demonstrieren, dass sie Juden aus dem Lager aufgenommen haben.
Interview
Vera Stulberger
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