Tag #117393 - Interview #78306 (Georg Kastner)

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Bevor er das Haus verließ, wurde das erledigt. Samstag gingen wir in den Tempel - da gab es mehrere Tempel, in die wir gingen - je nach dem, wie mein Vater Lust hatte. Es gab einen Tempel von seiner Familie, der sogenannte Rosenbaum - Tempel, der wurde von der Familie Rosenbaum gebaut.

Die Mutter meines Vaters war ja eine geborene Rosenbaum. An den Tempel kann ich mich gut erinnern, aber der ist heute auch nicht mehr da. In Pressburg ist das alles weg.

Zu den hohen Feiertagen war mein Vater in der großen Synagoge. Am Freitagabend, am Schabbat, aßen wir separat, aber nach dem Nachtmahl sind wir dann oft zur Großmutter gegangen. Sie wohnte nicht weit entfernt von uns.

Zu Pessach wurde alles weggeräumt und das Geschirr, das am Dachboden aufbewahrt wurde, herunter geholt. Es wurde alles geputzt, aber einige Krümel Brot wurden übrig gelassen.

Die Krümel wurden am Tag des Seder mit einer Feder zusammen gekehrt und mit der Feder zusammen verbrannt. Dazu musste man einen Segenspruch sagen. Ich, als Erstgeborener, ging in der Früh zu dem sogenannten Sium [hebr. Ende].

Das war die Beendigung eines Talmud-Abschnitts, den man gelernt hatte und dort beendet hat. Da durfte man etwas essen, den Rest des Tages musste man als Erstgeborener fasten.

Nachdem mein Vater auch ein Erstgeborener war, sind wir immer gemeinsam in der Früh am Tag des Seder zu dieser Zeremonie gegangen. Manche Leute betrachten das als eine zwingende Vorschrift, manche Leute sagen, das ist Tradition. Aber es gibt viele Leute, die, wenn sie den Sium versäumen, den ganzen Tag fasten.

Nachdem mein Vater ein ziemlich prominentes Mitglied der dortigen Gemeinde war, durften er und ich dabei sein, wenn seine Mazzot gebacken wurden. Das war in einem einfachen Mazzes - Backhaus, an das ich mich gut erinnern kann.

Es war im Souterrain des Schulgebäudes. Dort schauten wir zu, wie der Teig mit Maschinen geknetet und gewalzt wurde und dann mit der Hand schnell geschnitten und auf irgendeinen Stock gehängt wurde.

Danach wurden die Teigstücke schnell in den Backofen geschoben und gleich wieder heraus genommen. Wir trugen sie nach Hause, sie lagen aber nicht in Schachteln so wie heute, sondern sie waren in Packpapier eingeschlagen.

Für den Sederabend gab es besondere Mazzot, die ganz besonders vorsichtig erzeugt wurden. Die waren viel dicker, damit sie nicht so leicht zerbrechen, denn für die Segenssprüche musste komplett das Stück Mazze unversehrt sein, damit es nicht zerbricht. Deshalb mussten es dickere Mazzes sein.
Interview
Georg Kastner