Tag #117748 - Interview #82830 (Sylvia Segenreich)

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Mein Bruder lebte zu dieser Zeit nicht mehr. Als die Deutschen gekommen sind, hatten sie das Sagen, die Rumänen sind nur so mitgegangen. Da wurden die Strassen abgesperrt und die Juden mussten raus zur Arbeit, auch mein Vater und mein Bruder. Ich sehe ihn noch jetzt wie er auf der Strasse steht. Die ganze Strasse war voller Menschen, auch der Oberrabbiner Mark war dabei. Man hat sie zum Kulturpalast, der am Fischplatz war, gebracht. Juden durften nicht tagsüber und nicht abends ausgehen. Nur von 10 Uhr bis 13 Uhr, um etwas einzukaufen. Aber sonst durften wir nicht auf die Strasse gehen. Im Kuturpalast hat man begonnen, die Leute zu sortieren. Die einen mussten nach Rechts, die anderen nach Links gehen. Ein deutscher Hauptmann hat diese Aktion geleitet. Es hat geheißen, das sind Arbeitsgruppen. Mein Vater ist zu meinem Bruder gegangen, aber der Offizier hat es bemerkt und ihn zurückgeschickt. Sie bleiben dort, wo sie sind, hat er zu meinem Vater gesagt. Als eine Schießerei auf der Strasse begann, gelang meinem Vater, seinem Bruder und Bekannten, sich von Haus zu Haus zu schleichen. Er ist zu meiner Tante gegangen. Er ist nicht nach Hause gekommen und hat dort die Nacht verbracht. Erst dann haben wir erfahren, dass er dort ist. Mein Bruder wurde mit der anderen Gruppe über den Prut geführt, und dort wurden sie alle erschossen. Am 9. Juli in der Früh wurde die Gruppe noch gesehen. Es waren hunderte Juden. Zuerst hieß es, sie sind zu einer Arbeit geführt worden. Außerhalb der Stadt, auf der Schießstätte in Jucica, wurde die ganze Gruppe von den Deutschen erschossen. Es kamen Bauern, die gesagt haben: gib uns ein Foto und Geld, es geht euren Familienangehörigen nicht gut, wir geben es ihnen. Meine Mutter hat einem Bauern viel Geld für meinen Bruder gegeben, aber später hat sich herausgestellt, dass sie alle bereits am 9. Juli erschossen worden waren. Mein Bruder auch. Das haben wir aber erst Monate später erfahren.
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Interview
Sylvia Segenreich