Tag #117789 - Interview #82830 (Sylvia Segenreich)

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Ich habe 1946 in Bukarest Leon Segenreich geheiratet. Leon war 1913 als einer von neun Kindern in Botosani, in Rumänien, geboren und hatte in Czernowitz Jus studiert. Sein Cousin Salo Segenreich aus Czernowitz hatte meine Cousine Lola Fenster in Transnistiren geheiratet. Dadurch haben wir uns in Bukarest kennen gelernt, Lola hat mir meinen Leon vorgestellt. Es gab Czernowitzer Segenreichs, es gab Botosanis Segenreichs, und es gab in Bukarest Segenreichs. Das ist alles eine Familie. Die Mutter meines Mannes hieß Adele, Ada wurde sie genannt. Nach ihr ist meine Tochter benannt. Ihr Vater war Rabbiner. Sie war sehr fromm und trug bei ihrer Hochzeit einen Scheitl [14]. Meine Schwiegermutter hat zwölf Kinder geboren, von denen neun am Leben geblieben sind. Sie ist 1938 gestorben. Mein Schwiegervater, Ben Segenreich, war nicht so fromm. Mein Sohn ist nach ihm benannt. Die Familie meines Schwiegervaters stammte aus Polen. Er ist bereits als junger Mann nach Botosani gekommen und hatte einen Export von Eiern und ist immer herumgefahren und hat Eier verkauft. Ich habe sogar ein Bild von ihm, wo er auf der Rückseite seiner Frau schreibt, er habe so und so viel Waggons Eier verkauft. Neben dem Eierexport hat er Papiertüten und Papiersäcke erzeugt. Mein Schwiegervater hat den Krieg in Botosani überlebt. Zehn Tage nach unserer Hochzeit ist er gestorben. Er wäre gern gekommen, aber er war schon sehr krank, und man hat so kurz nach dem Krieg doch nicht mit dem Zug fahren können. Es hätte ihn jemand zu unserer Hochzeit bringen müssen.

Wir haben unsere Hochzeit am Vormittag und Mittag gefeiert, weil wir Angst vor den Russen hatten. Am Abend hat man sich nicht getraut auf die Strasse zu gehen. Die Russen haben die Leute überfallen und ihnen alles weggenommen.
Period
Location

Bukarest
Romania

Interview
Sylvia Segenreich
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