Tag #117945 - Interview #78532 (Franziska Smolka)

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Als mein Mann Timmy und ich begonnen haben, uns mit dem Thema Judentum auseinander zu setzen, gab meine Mutter zu erkennen, dass sie vieles weiß und sich erinnern kann. Aber das war eher in der Art: Ich kann auch etwas beitragen! Sie war sehr stolz, dass sie hebräisch lesen konnte, denn das hatte sie ja in der Volksschule gelernt. Viel später, als ich zu den Feiertagen Karten für den Tempel kaufte, ist sie mit uns in die Synagoge gegangen. Für die Großmutter hatte sie immer selbstverständlich Karten gekauft, damit sie zu den Feiertagen in den Tempel gehen konnte. Das ist eine sehr schwierige und gespaltene Geschichte. Später erfuhr ich, dass sie die Gräber ihrer Familie in Graz am jüdischen Friedhof hat pflegen lassen und alle Grabsteine in Stand setzen ließ, und dass sie einen Rabbiner aus Wien bezahlt hat, der am Todestag des Großvaters nach Graz auf den Friedhof gegangen ist und dort Kaddisch [22] gesagt hat. Es war so: Meine Mutter hat die Religion nicht betroffen, aber sie hat sie respektiert. 

Ein - oder zweimal war ich mit meiner Großmutter zu den Feiertagen in Wien im Tempel.
Sie saß auf der zweiten Galerie und ich erinnere mich noch, ich bin hinauf gegangen und hab kurz mit ihr gesprochen und ich bin dann wieder gegangen. Aber ich habe keine Erinnerung an den Tempel oder ein Gebet. Die Großmutter war eben dort und ich bin Großmutter besuchen gegangen, weil sie den ganzen Tag dort gesessen ist. Aber ich hab keine Ahnung gehabt.
Interview
Franziska Smolka