Tag #119075 - Interview #78302 (Hannah Fischer)

Selected text
Das war die Meinung meiner Mutter und darüber hat sie bereits nach ihrer ersten Palästina-Reise berichtet. Meine Mutter war keine Zionistin, das hätte nicht zu ihrer politischen Weltanschauung gepasst, aber sie hat mit einem Staat der Juden in Palästina sympathisiert.

Nach der Eheschließung mit meinem Vater hat meine Mutter weiterhin als selbständige Journalistin gearbeitet. Sie war politisch sehr aktiv, sie war eine Kommunistin. So hat sie zum Beispiel für die Zeitung 'Die Wahrheit' - das war eine kommunistische Zeitung aus dieser Zeit - einen fast prophetischen Artikel über den Nationalsozialismus und dessen Bekämpfung geschrieben.

Nach 1933 gab sie eine hektographierte Zeitschrift mit dem Namen 'Die Rote Dreizehn' heraus. Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes [9] gibt es zwei oder drei Nummern der Zeitung. Darin schrieb meine Mutter über politische Themen. Die Gegensätze zwischen den Sozialdemokraten und Republikanischen Schutzbund auf der einen Seite und den Christlich-Sozialen und der Heimwehr, beziehungsweise der Regierung, auf der anderen Seite, führten in den Februartagen 1934 zum Bürgerkrieg.

Der Aufstand scheiterte unter anderem deshalb, weil der von der Sozialdemokratischen Partei ausgerufene Generalstreik nicht lückenlos durchgeführt wurde. Viele Tote und Verwundete auf beiden Seiten war das Ergebnis. Einige Führer des Aufstands wurden hingerichtet.

Die Angehörigen der Verhafteten standen oft ohne Einkommen da und die Kassierer der Zeitschrift 'Die Rote Dreizehn' sammelten für die Familien der inhaftierten Roten. Es gibt zum Beispiel einen sehr interessanten Artikel über die Frau Münichreiter.

Münichreiter war einer der Führer des Aufstandes, der angeschossen worden war und schwer verletzt auf der Tragbahre zur Hinrichtung gebracht wurde. Es gibt eine Straße im 13. Bezirk, die nach ihm benannt ist. Und da gibt es einen Artikel meiner Mutter, in dem sie berichtet, wie eine der führenden Damen der Christlichen Wohlfahrt zur Frau Münichreiter kam und ihr nahe legte, zur Kirche gehen und um Hilfe bitten. Und Frau Münichreiter sagte dieser Dame ordentlich ihre Meinung. Diese Geschichte schrieb meine Mutter sehr anschaulich.

Am 12. Februar 1934 wurden wir von der Schule früher nach Hause geschickt, weil die Kämpfe begonnen hatten. Zu Hause kletterten wir auf den Nussbaum im Garten des gegenüber liegenden Grundstückes und beobachteten, wie in der Stadt gekämpft wurde.
Interview
Hannah Fischer