Tag #119087 - Interview #78302 (Hannah Fischer)

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Es war nicht schwierig, die Notwendigkeit einer Flucht einzusehen, wenngleich wir nicht so ohne weiteres und freudig das Land verlassen haben. Ein Tropfen Wehmut und Angst war auch dabei. Angst, was die Zukunft bringt und natürlich Angst um unseren Vater. Rafael und ich fuhren Mitte September, kurz vor unserem dreizehnten Geburtstag nach London.

Unsere Mutter brachte uns zum Westbahnhof. Ich kann mich erinnern, ich habe dieses Gefühl noch ganz deutlich in mir, ich wusste schon damals ganz genau: Ich komme wieder! Wir wussten, unsere Mutter kommt in zwei, drei Wochen nach, aber wir wussten nicht, dass sie uns früher schickte, weil sie Angst hatte, dass der Krieg ausbricht und wir dann verloren wären.

Viele Kinder mussten ohne ihre Eltern mit Kindertransporten nach England fahren und haben sie nie wieder gesehen. Zum Glück waren wir noch nicht so gescheit, wie wir es jetzt sind. Meine Mutter hat noch die Wohnung aufgelöst, nahm aber keine Möbel, nur Bettwäsche und solche Sachen mit.
Interview
Hannah Fischer