Tag #120351 - Interview #79228 (Irene Bartz)

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Da hat sie immer ein Schmuckstück gebracht und für das Schmuckstück hat sie aus Blutstein Ringerl und Ketterl für die Angestellte getauscht. Und an dieses Schmuckstück konnte ich mich gut erinnern. Meine Mutti war ja keine Schmuckträgerin, sie war eine kleine zarte Frau wie meine Schwester, nur etwas größer als die Vera. Ich kann mich daran erinnern, dass meine Mutti diese Brosche zwei- bis dreimal anlässlich eines großen Anlasses hinten im Haar getragen hat.

Die Brosche war ein bisschen exzentrisch. Sie war oval mit sieben Brillanten - große Brillianten und kleine Brillianten. In der Mitte war ein gelblicher Brillant in der Größe eines Nagels. Und diese Brosche konnte man auch als Anhänger tragen.

Das Geschäft war zu, an der Tür war ein Zettel. Dann kam die Besitzerin, ich ging hinein und habe sie gefragt: ‚Sagen Sie bitte, hat die Brosche hinten eine Nadel und einen Anhänger?’ Sie hat mit ja geantwortet. Dann habe ich gefragt, ob hinten ein Stückel abgebrochen ist. Wieder hat sie mit ja geantwortet und mich verwundert angeschaut. Und dann habe ich gefragt, ob das Armband so und so einzuhacken ist? Da hat sie mich gefragt, wer ich bin. Ich habe ihr gesagt, dass die Brosche und das Armband meiner Mutter gehört haben.

Sie war ganz aufgeregt und hat gesagt, dass sie die Stücke aus einem Privatbesitz in Kommission hätte, und sie mir nicht sagen dürfe, wem das Armband und die Brosche gehören. Ich habe gesagt: ‚Natürlich, das ist schon in Ordnung.’ Es war ein Schock für mich, die Schmuckstücke meiner Mutter nach so vielen Jahren zu sehen.

Ich hätte die Schmuckstücke brauchen können, ich war damals wirklich hundsarm. Ich habe das dann meinen Freundinnen erzählt, und eine ist ins Geschäft gegangen und hat gefragt was die Brosche kostet. Das war eine halbe Million Schilling. Den Preis des Armbands hat sie nicht erfragt, weil das zu auffällig gewesen wäre.

Ich glaube, als mein Vater aus Wien geflüchtet ist, hat er Geld gebraucht und den Schmuck verkauft. Oder man hat ihm alles weggenommen. Das weiß ich nicht. Wenn meine Eltern ein Haus besessen hätten, hätte ich versucht, es wiederzubekommen, aber wie sollte ich das mit Schmuckstücken anfangen? Ich weiß ja nicht einmal, ob sie verkauft oder gestohlen wurden. Ich bin nicht der Mensch, der den Sachen nachjagt, und ich hätte damals auch nicht gewusst, wie ich das machen soll.
Interview
Irene Bartz