Tag #131114 - Interview #78291 (Kitty Suschny)

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Da kam uns die Frau Maurer mit dem Heinzi entgegen und sagte: 'Geht sofort zurück zur Kultusgemeinde, es gibt dort einen Kindertransport nach England.' Das war nach dem 10. November [8] 1938. Da hab ich gesagt: 'Ich hab aber keine Papiere dabei.'

Frau Maurer war aber vorher schon bei meiner Mutter und hatte meine Papiere. Meine Mutter ist nicht gekommen, denn sie hat sehr schlecht gesehen, sie hatte den 'Grünen Star'. Das konnte man damals nicht operieren. Frau Maurer ist mit uns zur Kultusgemeinde gegangen und hat uns für den Transport nach England angemeldet. Wir mussten uns einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Da wurde versucht, auszusortieren.

Wir waren damals 1000 Kinder, das war schon der zweite Kindertransport nach England. Meine Mutter sagte: 'Fahr nicht nach England, fahr nach Holland. Da kannst du zu Fuß zurückkommen. Nimmst ein Leiterwagerl und ein Bauer wird dich ein Stück führen oder du gehst zu Fuß nach Hause. Übers Wasser wirst du nicht kommen können.'

Meine Mutter, Frau Maurer, Herr Maurer und der kleine Heinz haben uns in Hütteldorf [Teil des 14. Bezirks] halb zwölf Uhr in der Nacht verabschiedet. Es waren kleine Kinder dabei, aber auch Krankenschwestern vom Rothschild-Spital. Das jüngste Kind war sechs Wochen alt. Es ging um Leben und Tod! Manchen Eltern ist es noch gelungen nachzukommen, aber vielen nicht.

Man durfte den Kindern nichts mitgeben, damit der Transport, Gott behüte, nicht gefährdet war. Das war strengstens verboten. Aber Ilse hatte Schmuck und auch etwas Geld. Sie hatte es versteckt, ich habe es erst in England erfahren. Damals bekam man für eine Mark zwei Penny. Die Mark war nichts wert. Zehn Mark durfte man offiziell mitnehmen, also hatten wir sehr wenig Geld.
Period
Year
1938
Location

Vienna
Austria

Interview
Kitty Suschny