Tag #131273 - Interview #78293 (Liselotte Albin)

Selected text
Bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr war ich in der sehr gemäßigten sozialistischen Bewegung 'Bundschuh' mit Einverständnis meiner Eltern, wahrscheinlich sogar von ihnen initiiert. Es war eine wunderschöne Zeit, und natürlich wurde ich auch irgendwie durch diese Jugendbewegung geformt.

Ich war sehr sozialistisch, war auch dafür, alles sozial zu verteilen. Ich war sehr bös mit meinem Vater, der eine Chemikalienhandlung en gros hatte, dass er etwas kauft und es teurer verkauft: 'Das ist reinster Kapitalismus! So was macht man nicht!' Mein Vater hat darauf nur gesagt:

'Mein Kind, wenn du mit der Schule fertig bist, kommst du ins Geschäft und dann führst du es.' Ich finde das sind Erlebnisse, an die man sich erinnern sollte. Man macht seine Erfahrungen, und wenn man etwas älter ist, wird man etwas gescheiter.

Wenn es Wahlen gab, hat mein Vater sozialdemokratisch gewählt, weil es damals geheißen hat: 'Na, was soll ein Jude schon wählen? Christlichsozial? Nicht wirklich!' Unter Dollfuß [7] wurden dann ja alle auch nur politisch angehauchten Organisationen verboten. In meiner Organisation waren zu 90 Prozent jüdische Kinder, so hat sich das wahrscheinlich von allein aufgehört, weil die Eltern ja wussten, das es verboten war.
Period
Location

Vienna
Austria

Interview
Liselotte Albin